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15.000 Euro für Piloten – „Umgang mit Steuerzahlergeld ist schwer vermittelbar“

Welt 27.12.2020

Die Lufthansa nutzt die Milliardenkredite des Staates auch dafür, um das Kurzarbeitergeld ihrer Piloten aufzustocken – auf bis zu 15.000 Euro im Monat. In der Opposition sorgt das für einen Aufschrei. Beschäftigte aus anderen Branchen verstünden die Welt nicht mehr.

Von den Regierungsparteien möchte sich zu dem brisanten Thema niemand äußern, von der Opposition kommt dafür umso deutlichere Kritik. Grund für die Erregung: Die Lufthansa nutzt die Milliardenkredite, die ihr zur Rettung vom Staat und damit von den Steuerzahlern gewährt wurden, auch zum Aufstocken des Kurzarbeitergeldes von Piloten.

„Menschen aus dem Einzelhandel oder der Gastronomie, die wegen der Corona-Maßnahmen ihre Arbeitsplätze verloren haben, verstehen die Welt nicht mehr. Wie kann es sein, dass der Staat dem Mittelstand die Luft zum Atmen nimmt und auf der anderen Seite üppige Gehälter in der subventionierten Luftfahrtbranche finanziert?“, sagte Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, WELT. Sie hält das Signal für verheerend, das Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr hier setzt.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sieht jegliches Maß verloren. „Angesichts der Tatsache, dass bei vielen Selbstständigen und Mittelständlern die Hilfen nicht ankommen, ist der Umgang der Lufthansa mit Steuerzahlergeld schwer vermittelbar“, sagte er. Es gebe offenbar ein sehr unterschiedliches Verständnis darüber, was zumutbar sei und was nicht.

Bis zu 15.000 Euro für Piloten in Kurzarbeit

Lufthansa-Chef Spohr hatte gegenüber WELT AM SONNTAG erstmals bestätigt, dass das monatliche Kurzarbeitergeld für Ex-A380-Kapitäne auf bis zu 15.000 Euro erhöht wird, und forderte dafür Verständnis ein. Mit dem reinen Kurzarbeitergeld würden sich sonst die „monatlichen Grundbezüge mehr als halbieren“, weil ein großer Teil des Gehalts über der Beitragsbemessungsgrenze liege. „Das können und wollen wir unseren Piloten nicht zumuten“, sagte Spohr.

In die Berechnung des Kurzarbeitergeldes geht nur das Gehalt bis zur Beitragsbemessungsgrenze ein. Die Grenze liegt in diesem Jahr bei 6900 Euro im Westen und 6450 Euro im Osten. Die Summe steigt im kommenden Jahr auf 7100 Euro (West) und 6700 Euro (Ost). Die Beschäftigten erhalten je nach Dauer der Kurzarbeit und abhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht, zwischen 60 Prozent und 87 Prozent des ausgefallenen Netto-Entgelts als Kurzarbeitergeld.

Die üppigen Zusatzzahlungen für Piloten stoßen auch deshalb auf Kritik in den Reihen der Oppositionsparteien, weil über die Verwendung der Staatshilfe bereits im Frühjahr bei der Verabschiedung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds heftig diskutiert wurde. Während die SPD weitreichende Eingriffe in die Geschäftspolitik des Unternehmens forderte, konnte man sich am Ende lediglich darauf einigen, dass die Mittel nicht dafür verwendet werden dürfen, den Topmanagern von Unternehmen, die auf Staatshilfe angewiesen sind, Boni, Aktienpakete oder sonstige Gratifikationen zu zahlen.

Hohe Aufstockungen des Kurzarbeitergeldes für Piloten fallen nicht darunter. Ob die finanzielle Situation der Piloten, gerade jener, die in den vergangenen Jahren gut verdienten, einen solchen Schritt notwendig macht, darf zumindest bezweifelt werden. Zumal auch der schwierige Arbeitsmarkt es aus Sicht von Branchenbeobachtern nicht zwingend erforderlich macht, dass die Piloten mit großzügigen Prämien bei Laune gehalten werden, damit sie nicht zu einer anderen Fluglinie wechseln.

AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel hält es für dringend geboten, dass die Rettungspolitik der Bundesregierung wieder zurückkehrt zu den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, „in der die Bürger, die in Not geraten sind, unterstützt werden und der Wettbewerb nicht durch staatliche Eingriffe in den Marktprozess verzerrt wird“.

Angesichts des gewaltigen Sparprogramms innerhalb des Konzerns dürfte die Aufstockung auf bis zu 15.000 Euro nicht nur bei Oppositionspolitikern, sondern auch in den Reihen der Lufthansa nicht jedem gefallen. Die Lufthansa leidet wie die gesamte Luftfahrt unter den Reisebeschränkungen in der Pandemie. Mit einer Rückkehr der Passagierzahlen auf das Niveau von vor der Pandemie rechnet Carsten Spohr in den kommenden Jahren nicht. „Wir gehen realistisch davon aus, dass wir Mitte des Jahrzehnts bis zu zehn Prozent weniger Passagiere als in der Vor-Corona-Zeit haben“, sagte der Vorstandschef WELT AM SONNTAG.

Die Airline wurde mit einem milliardenschweren Rettungspaket des Bundes vor dem Aus bewahrt. „Wir hatten im Dezember weniger als zehn Prozent der Passagiere im Vergleich zum Vorjahr, aber dennoch am Jahresende zehn Milliarden Euro verfügbare Liquidität“, sagte Spohr. „Das liegt in erster Linie daran, dass wir die Kosten deutlich schneller als geplant senken konnten“.

Der Manager wies darauf hin, dass bis Ende des Jahres 29.000 Mitarbeiter den Konzern verlassen werden, etwa jeder fünfte Lufthanseat. „Damit möglichst wenige Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssen, streben wir intelligente Teilzeitmodelle an.“ Es sei das Ziel 100.000 Beschäftigte bei Lufthansa zu behalten. Das könnten aber nicht in allen Bereichen Vollzeitarbeitsplätze sein.

Notverkäufe seien derzeit kein Thema. „Es gibt keine Pläne für einen Verkauf von Austrian Airlines“, sagte Spohr. Von den neun Milliarden Euro aus den vier Heimatstaaten Deutschland, Österreich, Schweiz und Belgien „haben wir bisher nur drei Milliarden Euro abgerufen und noch nicht viel davon ausgegeben“, so Spohr. Im November konnte die Airline auch wieder selbst an den Kapitalmarkt gehen. Die weitere Entwicklung im Geschäft werde zeigen, „wie viel wir von den neun Milliarden Euro wirklich brauchen“. Eine neue finanzielle Krisenlage in 2021 zeichne sich nicht ab.

Mit den etwa 5.000 Piloten wurde jetzt eine Vereinbarung getroffen, dass sie bis Ende März 2022 vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt sind. Die Airline und die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) einigten sich auf einen Krisentarifvertrag. Im Gegenzug kann Lufthansa die Kurzarbeit bis Ende kommenden Jahres verlängern, die Arbeitszeit mit entsprechenden Gehaltseinbußen kürzen und Tariferhöhungen aussetzen.