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Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Bürgerliche wollen Zürcher Fluglärmindex abschwächen

TA 17.09.2018

Der Index beruhigte 2007 die Debatte um den Flughafen. Nun möchte eine Mehrheit im Kantonsrat daran schrauben.

47’000: Diese Zahl zog vor elf Jahren die Zürcher Politik in ihren Bann. Sie war die Reaktion auf eine andere Zahl: 250’000. Zur Erklärung: Eine Volksinitiative verlangte, die Anzahl Flüge in Kloten bei 250’000 zu plafonieren. Als Gegenvorschlag präsentierte die damalige Flughafen­ministerin Rita Fuhrer (SVP) den Zürcher Fluglärmindex (ZFI). Dieser sollte angeben, wie viele Menschen durch den Fluglärm stark gestört werden. Definiert wurde eine Grenze bei 47’000.

Fuhrer gewann die Abstimmung klar. Der ZFI-Wert betrug seither bis auf zwei Ausnahmen (2007 und 2009) stets mehr als 47’000. Im Jahr 2016 – das ist der letzte verfügbare Wert – waren laut ZFI-Berechnungen 64’100 Personen fluglärmgeplagt.

Wie darauf reagieren? CVP, FDP und SVP haben gestern im Kantonsrat einen Lösungsansatz präsentiert. Der ZFI müsse «neu ausgerichtet» werden, fordern die drei Parteien in einem Postulat an den Regierungsrat. Der Monitoringwert werde um 36 Prozent überschritten, obwohl die Flugzeuge leiser geworden seien und die Anzahl Flüge bei rund 270’000 stabil geblieben sei, stellte Kathrin Wydler (CVP, Wallisellen) fest. Für sie ist klar, warum: Es zögen immer mehr Menschen in die Flughafenregion, was den ZFI-Wert in die Höhe jage. Die Zwickmühle dabei: Das Wachstum sei gewollt. Der Richtplan verlangt von den Siedlungsgebieten wie der Flughafenregion, dass sie 80 Prozent des Bevölkerungswachstums übernehmen. Wydlers Fazit deshalb: «Der ZFI muss dringend weiterentwickelt werden.»

Bevölkerung wächst

Ann Barbara Franzen (FDP, ­Niederweningen) stimmte zu: Der ZFI sei heute mehr als ein Index, nämlich ein Steuerungsinstrument. Er müsse wieder «mit der Siedlungsplanung in Einklang» gebracht werden. Christian Lucek (SVP, Dänikon) sprach von einem «Geburtsfehler» beim ZFI: Menschen, die heute in die Flughafenregion ziehen, würden «zu Fluglärmopfern gemacht, obwohl sie der Lärm gar nicht stört».

Damit kam Lucek einer An­leitung, wie der Index konkret verändert werden könnte, am nächsten. Die schon länger in flughafennahen Kreisen herumgeisternde Idee, die seit 2008 zugezogenen Menschen nicht mitzuzählen, wurde aber nicht explizit erwähnt. Das geschah wohl mit Rücksicht auf Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP). Sie begrüsste den Vorstoss und sagte: «Lassen Sie uns darüber nachdenken, wie eine Anpassung des ZFI aussehen könnte.» Dabei versprach sie, Experten beizuziehen. Es könne aber nicht sein, dass eine vom Kanton erwünschte Entwicklung – das Bevölkerungswachstum in Siedlungsgebieten – die Entwicklung des Flughafens behindere. «Der ZFI hat politisch seine Schuldigkeit getan», sagte Daniel Sommer (EVP, Affoltern am Albis) gar.

Die Argumente der Bürgerlichen trafen auf der linken Ratsseite auf heftige Gegenwehr. SP, GLP, Grüne und BDP wollten den ZFI nicht abschwächen.

«Es sind die Nachtflüge»

Für den Anstieg des ZFI-Werts sei nicht das Bevölkerungswachstum verantwortlich, sondern die zunehmende Anzahl Nachtflüge, sagte Robert Brunner (Grüne, Steinmaur). «Das Wachstum gab es schon vor der Lancierung des ZFI», sagte er. Was das Schöne am ZFI ist, habe schon 2007 in der Abstimmungszeitung gestanden, sagte Brunner: «Der ZFI stellt die Menschen in den Mittelpunkt.» Ruedi Lais (SP, Wallisellen) eilte Brunner mit einem Vergleich zu Hilfe. Die Waage zu Hause zeige manchmal ein unliebsames Resultat, wenn man draufstehe. Und doch wisse jeder, dass es nichts nützt, an der Skala zu schrauben. Das Postulat attackiere die Bevölkerung, die faktische ZFI-Abschaffung werde zu gesundheitlichen Schäden führen, warnte Lais.

Auch Barbara Schaffner (GLP, Otelfingen) ging nicht zimperlich mit den bürgerlichen Postulanten um: «Sie wollen die Messlatte verändern, weil Ihre Ziele nicht erreicht werden.» Laura Huonker (AL, Zürich) kritisierte, dass die Spielregeln während des Spiels geändert werden sollen. Ivo Koller (BDP, Uster) befürchtete wiederum ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn es einen ZFI 1 und einen ZFI 2 gibt: «Wir lehnen die Zahlenschieberei ab.» Thomas Forrer (Grüne, Erlenbach) empfahl, lieber ab 22 Uhr weniger zu fliegen und den Verspätungsabbau ab 23 Uhr auf ein Minimum zu reduzieren. Das nämlich schenke ein bei der Berechnung des ZFI.

Die Ermahnungen von links hatten keine Folgen. Der Kantonsrat überwies den Vorstoss mit 97:70 Stimmen, wobei sich drei SVP- und zwei BDP-Mitglieder ihrer Stimme enthielten und Ursula Moor (SVP, Höri) gegen ihre Fraktion stimmte. (Tages-Anzeiger)

Erstellt: 17.09.2018, 23:22 Uhr