Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Der Umtriebige: er hat sich gegen mehrere Grossprojekte aufgelehnt

LZ 19.02.2020

Ob Flugplatz Dübendorf, ZKB-Seilbahn oder Rosengartentunnel: Peter-Wolfgang von Matt hat sich in den vergangenen Monaten gegen mehrere Grossprojekte aufgelehnt. Was treibt ihn an?

Seine Initiativen könnten Stadt und Kanton Zürich noch einige Jahre beschäftigen: Kaum eine Privatperson war in den vergangenen Monaten politisch so aktiv wie Peter-Wolfgang von Matt. Im November ist seine Besonnungsinitiative zu Stande gekommen, die sich unter anderem gegen die Seilbahn der ZKB über das Zürcher Seebecken richtet. Und am vergangenen Wochenende hat er mit der Unterschriftensammlung für seine nächste Initiative begonnen: In Dübendorf solle kein Business-Airport für Manager und Oligarchen entstehen, lautet der süffige Politslogan für seinen Vorstoss, der offiziell «Nur-ein-Flughafen-Initiative» heisst.

Auch gegen den Rosengartentunnel, der später abgelehnt wurde, hat er sich juristisch aufgelehnt. Viele Themen treiben von Matt um. Aber was will er eigentlich erreichen? Und wer ist dieser Mann, der neuen Wind in die Zürcher Politik bringt? Der 57-Jährige ist in Wollishofen aufgewachsen. Dort wohnt er auch heute noch. Neu hinzugekommen ist der Bindestrich, mit dem er seinen Zweitnamen Wolfgang an seinen Vornamen koppelt. Zugetan hat er ihn sich, um sich vom Germanisten und Schriftsteller Peter von Matt unterscheidbar zu machen, mit dem er verwandt ist. In den sozialen Netzwerken bezeichnet sich der Wollishofer als «Autor, Dolmetscher und Initiant». Will man sein politisches Engagement verstehen, lohnt es sich, dieser Linie zu folgen.

Der Dolmetscher

Seit 1998 ist Peter-Wolfgang von Matt freiberuflich als Dolmetscher an Gerichten tätig. Er hat an der Universität Zürich Philologie studiert und übersetzt vor allem an zivilrechtlichen Verhandlungen auf Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch. «Während Gerichtsverhandlungen zu arbeiten, ist eine gewaltige Schulung. Man muss genau hinhören und hinschauen, wird für Nuancen sensibilisiert und lernt den Aufbau des Rechtsstaats kennen», sagt Dolmetscher von Matt.

Der Autor

Sein Beruf hat ihn auch zum Schreiben geführt. 2015 publiziert von Matt ein 120-seitiges Büchlein im Eigenverlag. Es trägt den Titel «Der treulose Staat» und ist, wie es auf dem Cover heisst, «eine Enthüllung einer millionenschweren Untreue des Staates als Arbeitgeber». Es handelt von einem Schweizer Kanton, der sich, so steht es im Buch, als Arbeitgeber seiner Beitragspflicht entzieht und damit einen Gerichtsdolmetscher wie auch andere freiberuflich tätige Kollegen um die berufliche Vorsorge bringt.

Mit dem Büchlein lehnt sich von Matt zum ersten Mal öffentlich gegen die Obrigkeit auf. Den Namen des Gerichtsdolmetschers (es handelt sich um ihn selbst) und den Namen des Kantons (es ist Zürich) nennt von Matt in der Schrift nicht mit Namen. Aufschlussreich ist ohnehin viel mehr, wie akribisch er sich mit dem Staat auseinandersetzt, wie hartnäckig er bei Behörden und politischen Institutionen nachfragt. «Der Staat ist nicht frei von Fehlern», sagt Autor von Matt.

Der Initiant

Dieser Erfahrung ist es vielleicht zu verdanken, dass sich der Wollishofer zunehmend gesellschaftlich engagiert. Zunächst noch in seiner eigenen Lebenswelt: 2017 wehrt er sich gegen den benachbarten Tennisplatz, der Lichtmasten bauen will. Von Matt ist damit nicht alleine, auch andere Anwohner stört es. Dann, im gleichen Jahr, wird bekannt, dass die Zürcher Kantonalbank anlässlich ihres Jubiläums eine temporäre Seilbahn über das Seebecken bauen will.

Viele politische Player streiten über das Projekt, schliesslich bringt sich auch von Matt als Einzelperson ein. 2019 lanciert er die Besonnungsinitiative. Sie verlangt, dass die Stadt Zürich Neubauten verhindert, die einen Schatten auf Erholungsräume am Seebecken werfen. Die Initiative richtet sich nicht nur gegen die ZKB-Seilbahn, sondern auch gegen eine geplante Grossüberbauung in Wollishofen, die einer Grünanlage am See zeitweise die Sonne nähme.

Die 3000 erforderlichen Unterschriften kommen ohne Probleme zusammen. Abgestimmt wird wohl 2022. Beflügelt von diesem Erfolg (dazwischen scheitert er mit seinem Rekurs gegen den später abgelehnten Rosengartentunnel), geht von Matt sein nächstes Projekt an. Er lanciert die «Nur-ein-Flughafen-Initiative», die Düsenjets aus Dübendorf verbannen will. Da es sich um eine kantonale Initiative handelt, sind dieses Mal 6000 Unterschriften nötig. «Ich weiss noch nicht, ob ich dies stemmen kann», sagt Initiant von Matt.

Die Logik dahinter

Als Aussenstehender könnte man den Eindruck gewinnen, dass sich da einer verrannt hat und wahllos gegen alle möglichen Projekte antritt. Von Matt schüttelt entschieden den Kopf. «Ich bin kein Querulant», sagt er, «und ich habe mich auch nicht verzettelt.» Seine Vorstösse folgen einer Logik. Sie alle wollen verhindern, dass Erholungsraum zerstört wird. Nicht durch nächtliche Lichtverschmutzung der Lampen vom Tennisplatz, auch nicht durch Pfeiler einer Seilbahn, und ebenso wenig durch den Lärm von Business-Jets.

«Der Besitzstand der Besitzlosen soll gewahrt werden. Jene, die keinen Garten oder Balkon haben, sollen im öffentlichen Raum Erholung suchen dürfen», sagt von Matt und streicht sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Denn der Wind zerzaust sein Haar immerfort während des Gesprächs in der Grünanlage bei der Wollishofer Schiffsstation – dort, wo dereinst die Grossüberbauung alles in den Schatten stellen und die Seilbahnpfeiler die Aussicht verschandeln könnten.

Von Matt lässt sich vom Wind kaum beirren. Er redet sich in Fahrt. Die Gedanken sprudeln nur so aus ihm heraus, und doch redet er mit Bedacht. Es gehe ihm darum, dass bestehende Infrastrukturen nicht ausgebaut würden, wenn dies nicht erforderlich sei. Er redet von «strukturellen Irrläufern». Und er sagt, auf das Verzichtbare sei zu verzichten – ganz ohne Fundamentalismus, sondern aus reiner Vernunft. Deshalb fordert der Initiant eine Umkehr der Beweislast: «Nicht die Gegner sollen beweisen müssen, weshalb ein Projekt schlecht ist. Die Organisation, die etwas verändern will, soll beweisen müssen, weshalb dies besser ist als der Status quo.»

Ein Einzelkämpfer

Von Matt glaubt, dass er mit seinem Engagement zum sozialen Frieden, zum Klimaschutz und zum Schutz vor Lärm beitragen kann. «Das sind auch Kernthemen der Grünen», sagt er. Der Partei beitreten will er aber nicht. Denn Parteien müssten Rücksicht nehmen auf den Verlauf der Legislatur, auf die Wahlen, Themenkonjunkturen, das richtige Timing, die Stimmung im Volk. Zu viele Leute würden hier mitreden. «Allein kann ich schneller etwas bewirken.»

Ganz allein auf sich gestellt war von Matt aber bei der Unterschriftensammlung für die Besonnungsinitiative nicht. Gerade in Wollishofen fand er viele spontane Helfer, die er zuvor gar nicht gekannt hatte. Und für seine neue Initiative hofft er auf Unterstützung von flugplatz- und fluglärmkritischen Organisationen. Trotzdem will er unabhängig sein – ein Einzelkämpfer im politischen System eben.

Jemand, der mit ihm schon einmal zu tun hatte, sagt: «Ich hatte immer das Gefühl, dass er ein Stück weit gegen das System ankämpft. Oft geht es ihm wohl einfach auch ums Prinzip.»

Im Prinzip findet von Matt das System aber durchaus eine gute Sache, wie er einräumt. «Es ist unwahrscheinlich gut», sagt er, «dass die Schweizer Rechtsordnung auch Unterschriftensammlungen wie meine, solche mit einfachen Mitteln, ermöglicht.»