Südanflug NEIN!

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Eine unabhängige Gemeindezeitung ist machbar und sinnvoll

Maurmer Zeitung 25.10.2024

Unabhängig, politisch relevant und demokratischer.

Der Weg zu einer unabhängigen Gemeindezeitung ist nicht frei von Hürden. Aber mit der Unterstützung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger und dem guten Willen der Gemeinde wäre er machbar.

Ich möchte Sie nicht mit salbungsvollen Worten einschläfern. Aber wir sind ein bisschen stolz darauf, dass Sie hiermit – je nach Zählweise – die fünfte oder siebte Ausgabe der Maurmer Zeitung (anfangs «Muur pur») in den Händen halten.

Was im vergangenen April quasi als Guerilla-Aktion in Form eines vierseitigen Faltblatts begonnen hat, ist zu einem sehr spannenden und ernstzunehmenden Medienprojekt geworden. Auch wenn wir von gewissen Kreisen in der Gemeindeverwaltung noch immer in die Ecke der Rebellen und Gehorsamsverweigerer gedrängt werden, ist die Maurmer Zeitung schon längst mehr als nur ein Flugblatt. Sie ist der Beweis, dass es freie und unabhängige Medien braucht – und dass sich diese – mit den richtigen Leuten und Partnern – auch unter erschwerten Bedingungen realisieren lassen.

Über 200 Vereinsmitglieder

Wir können – nur vier Monate nach Vereinsgründung! – auf die Unterstützung von über 200 Mitgliedern mit Stimmrecht in der Gemeinde zählen und besitzen somit auch ein politisch nicht zu unterschätzendes Gewicht. Dies kann insofern von Bedeutung sein, als wir früher oder später eine Neuabstimmung über die Privatisierung der «Maurmer Post» anstreben.

Als die Gemeindeversammlung im Juni 2023 dieses Geschäft gegen den Willen des Gemeinderats abgelehnt hatte, tat sie dies nicht, weil sie der Meinung war, dass die «Maurmer Post» zwingend in den administrativen Schoss der Gemeinde gehört. Sie tat es – dies zumindest liessen Diskussionen und Voten an jenem Montagabend im Loorensaal erahnen -, weil sie nicht wollte, dass die «Maurmer Post» in einem Verlagshaus aufgeht und ihre Unabhängigkeit verliert.

Der Gemeindepräsident als Chefredaktor

Mittlerweile ist viel Wasser den Aschbach hinuntergeflossen, und die «Maurmer Post» untersteht inzwischen der redaktionellen Hoheit des Gemeinderats. Mit anderen Worten: Gemeindepräsident Yves Keller, im Berufsleben Banker bei der ZKB, fungiert als Chefredaktor. Dies wiederum steht im krassen Widerspruch zum Prinzip der Gewaltentrennung und auch zur Einschätzung des Gemeindeamts des Kantons Zürich. Dieses kam im vergangenen Frühling zur unmissverständlichen Erkenntnis: Eine Gemeinde kann keine unabhängige Gemeindepublikation herausgeben.

Konstruktionsfehler und Schwarzer Peter

Die publizistische Unabhängigkeit auf der einen und die personalrechtliche Abhängigkeit auf der anderen Seite stehen im Widerspruch zueinander. Oder wie es ebenfalls das Gemeindeamt noch klarer ausdrückt: Die heutigen Strukturen der «Maurmer Post» sind ein Konstruktionsfehler. Weil das Gemeindeamt aber nur seine juristische Meinung abgeben kann und keine Vollzugsmacht hat, liegt der Ball nach wie vor beim Bezirksrat in Uster. Oder etwas polemisch ausgedrückt: Der Schwarze Peter wandert von einer politischen Instanz zur nächsten.

Anzufügen ist: Der besagte Konstruktionsfehler ist teuer, unappetitlich teuer. Für eine Struktur, die weder praktikabel noch juristisch sauber ist, bezahlt die Gemeinde pro Jahr rund 320’000 Franken. Den Restbetrag des Aufwands in Gesamthöhe von 455’000 Franken gleichen die Inserateeinnahmen aus – wobei die Gemeinde dabei über einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorsprung verfügt. Nicht wenige Betriebe spekulieren auf ein Gegengeschäft in Form eines amtlichen Auftrags.

Was bedeutet «investigativ»?

In der Diskussion um die Zukunft der offiziellen Gemeindezeitung benutzt der Gemeindepräsident immer wieder das Wort «investigativ». Für ihn scheinen Investigativjournalisten zwingend mit Taschenlampen und Nachtsichtgerät unterwegs zu sein. Sie kriechen durch Geheimgänge und unerforschte Höhlen, durchwühlen Aktenschränke und knacken Verschlüsselungsmaschinen. Dabei ist alles viel harmloser. Faktisch ist jede Form von Journalismus investigativ. Dies beginnt schon beim Interview mit Claudia von der Milchhütte Binz oder beim Pausengespräch mit Torsten vom FC Maur.

Und Journalismus muss nicht so teuer sein wie bei der öffentlich subventionierten «Maurmer Post». Bei den gleichen Voraussetzungen könnten wir mit einem schlankeren Budget haushalten, um unsere Arbeit kostendeckend auszuführen. Zum jetzigen Zeitpunkt kostet uns eine Ausgabe mit zwölf Seiten rund 10’000 Franken. In diesem Betrag sind Produktion, Druck und Distribution eingerechnet. Die Arbeitsleistung der Redaktion wurde bislang allerdings gratis erbracht. Eine Ausgabe der «Maurmer Post» kommt auf 10’581 Franken.

Auf der Suche nach dem Konsens

Längerfristig lässt sich dieser Aufwand aber nur erbringen, wenn wir auch wirtschaftlich auf solideren Füssen stehen. Und da ist ein Konsens mit der Gemeinde unerlässlich. Es müsste möglich sein, einerseits unabhängigen Journalismus zu praktizieren und gleichzeitig als amtliches Publikationsorgan zu fungieren. Die Teilbereiche der Zeitung wären strikte getrennt. Dass dieses Modell funktioniert, zeigt sich in anderen Gemeinden im Zürcher Oberland.

So hätten die Einwohnerinnen und Einwohner de Föifer und s’Weggli: eine Zeitung, die unabhängig und durchaus kontrovers über das Gemeindewesen berichtet, und eine, die Informationen über Kinderfasnacht, Seifenkistenrennen und Seniorenwanderung liefert; ohne Firlefanz und sprachliche Pirouetten. Es versteht sich von selbst, dass der Wunsch Vater dieses Gedankens ist, aber manchmal gehen Wünsche in Erfüllung, auch wenn noch lange nicht Weihnachten ist.

Ich wünsche Ihnen einen goldenen Herbst.

Peter Leutenegger