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Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Entscheidungsstau in der Flughafenregion

NZZ 18.5.2004

Das Kantonsparlament hat am Montag einem von freisinniger Seite eingebrachten Vorschlag zur Umwandlung der Flughafenregion in ein grossflächiges Gewerbe-, Wirtschafts- und Geschäftszentrum eine klare Absage erteilt. Bei der Gelegenheit legte der Rat ein – notgedrungen unverbindliches – Bekenntnis ab

pem. Das Kantonsparlament hat am Montag einem von freisinniger Seite eingebrachten Vorschlag zur Umwandlung der Flughafenregion in ein grossflächiges Gewerbe-, Wirtschafts- und Geschäftszentrum eine klare Absage erteilt. Bei der Gelegenheit legte der Rat ein – notgedrungen unverbindliches – Bekenntnis ab zur Weiternutzung dieses teilweise dicht besiedelten und starken Immissionen ausgesetzten Gebiets als Wohnregion. Legte man dieser einen Raster über, in dessen Einzugsbereich gemäss geltender Lärmschutzgesetzgebung mit Grenzwertüberschreitungen zu rechnen ist, so müsste nach den Berechnungen des Regierungsrats ein rund 100 Quadratkilometer grosses Gebiet, das in An- und Abflugschneisen liegt und heute rechtskräftig der Bauzone zugeteilt ist, grossflächig umgezont werden. In Frage käme, wie in dem FDP-Vorstoss verlangt, die Umwandlung von Wohnbauland in Gewerbe- und Dienstleistungszonen. Betroffen wären Gemeinden oder Stadtteile wie Zürich Nord, Opfikon, Kloten, Wallisellen, Rümlang und Dübendorf, um nur einige zu nennen.

Dass eine solche Entwicklung allein schon der zu erwartenden Pendlerströme wegen siedlungspolitisch unerwünscht wäre, braucht nicht länger erörtert zu werden. Es ist auch nachvollziehbar, dass eine solche planerische Grossübung die geltende Raum- und Verkehrsplanung von Kanton und Gemeinden auf den Kopf stellen und Millionenwerte, die in der öffentlichen Infrastruktur stecken, zerstören würde. Zudem würden bestehende Planungen im Bereich der «Glatttalstadt», die in ihrem Kernbereich ein Nutzungspotenzial für 25 000 zusätzliche Einwohner und 70 000 neue Arbeitsplätze ausweist, aus den Angeln gehoben. Nicht zu reden vom drohenden Verlust der Autonomie, die der kommunalen Ebene in richt- und raumplanerischen Fragen zukommt.

Der Vorstoss, den der Richterswiler Gemeindepräsident Ruedi Hatt (fdp.) eingebracht hatte und der am Schluss der Sitzung einstimmig «als erledigt» abgeschrieben wurde, war so ernst denn auch nicht gemeint, aber zweifellos geeignet, Regierung und Parlament Gewissensfragen zu stellen und den Puls zu fühlen. Die Parlamentarier reagierten, wie es erwartet werden durfte: Kein Votum war zu hören, in dem nicht betont wurde, dass der Flughafen nicht schrankenlos wachsen dürfe, sondern sich den siedlungsplanerisch gewachsenen Gegebenheiten anzupassen habe. Eine infrastrukturelle «Monokultur» namens Flughafenregion sei unerwünscht. Im gleichen Atemzug wurde auf Seiten von SVP und FDP die eminente ökonomische Bedeutung des Flughafens für den Wirtschaftsstandort Zürich herausgestrichen, derweil Parlamentarier von SP und Grünen einer verbindlichen Begrenzung der Zahl der Flugbewegungen das Wort redeten. Weitgehender Zustimmung durfte sich Ruedi Lais (sp., Wallisellen) erfreuen, der die Verbindung des Kantons und seiner Bevölkerung zum Flughafen mit jener Beziehung verglich, die ein Mann mit einer schönen und reichen Frau pflegt, die nächtens schnarcht.

Die nächsten Schritte in der Flughafenpolitik kommen einer Gratwanderung gleich. Diesen Montag gab es nichts zu entscheiden, und der Kantonsrat schien darüber nicht unglücklich zu sein. An der Flughafenfrage kann sich jeder Politiker fast nur die Finger verbrennen. Das gilt auch für die Mitglieder der Exekutive. Den Eindruck einer gewissen Ratlosigkeit, die den Umgang der ganzen Kantonsregierung mit dem heiklen Dossier Flughafen seit langem auszeichnet, konnte auch Baudirektorin Dorothée Fierz nicht vertreiben. Für verbindliche Aussagen zur raumplanerischen Zukunft der Flughafenregion sei es heute zu früh. Die Mediation am Flughafen, von der heute niemand weiss, ob sie tatsächlich zustande kommt und mit welchem Resultat sie zu Ende gehen wird, dürfe nicht zur Unzeit gestört werden, meinte die Baudirektorin.