TA 22.08.2024 – Zürcher Implantate-Skandal
Der renommierte Strafrechtler Niklaus Oberholzer wird die Affäre um die Herzklinik unter Francesco Maisano neu aufrollen. Der Auftrag des USZ geht deutlich weiter als ursprünglich geplant.
«Eine grosse Aufgabe übernommen»: Niklaus Oberholzer nimmt die Mortalität am Zürcher Unispital unter die Lupe.
Jetzt ist klar, wer die auffällige Mortalität in der Herzchirurgie des Zürcher Unispitals zwischen 2016 und 2020 untersuchen wird. Spitalratspräsident André Zemp stellte am Donnerstag Niklaus Oberholzer als Leiter der Untersuchungskommission vor. Man habe mit ihm eine juristisch erfahrene Person gefunden, «die wirklich unabhängig ist».
Oberholzer war bis 2019 Bundesrichter, er hat jahrzehntelang an der Universität St. Gallen im Strafrecht unterrichtet. Der Bund beauftragte ihn schon mehrmals mit Untersuchungen. So prüfte Oberholzer etwa Vorwürfe im Bereich von Asylzentren oder dem Nachrichtendienst. Nun soll sich der renommierte Jurist also der Affäre um Francesco Maisano widmen.
«Es steht zu viel auf dem Spiel»
Seit Jahren stehen Vorwürfe gegen den Italiener im Raum. Diese Redaktion hat den Fall 2020 publik gemacht. Es geht dabei um Implantate, die der ehemalige Chef der Klinik für Herzchirurgie selbst mitentwickelt und am USZ eingesetzt hat. Und um die Frage, ob dabei Patienten gefährdet worden sind. Der Professor bestritt dies stets, es gilt die Unschuldsvermutung.
Oberholzer wird nun die Mortalitätsraten am Universitätsspital untersuchen. So hatte es das Spital schon im Mai angekündigt. Der Auftrag geht aber weit über diese Sterberaten hinaus, wie am Donnerstag bekannt wurde. Oberholzer soll auch Komplikationen im Zusammenhang mit den Implantaten von Maisano analysieren. Weiter gehe es um «die Einhaltung von Prozessen und Richtlinien» zu jener Zeit und um wirtschaftliche Verflechtungen der Involvierten.
«Ich bin mir bewusst, dass ich eine grosse Aufgabe übernommen habe», sagte Oberholzer vor den Medien. Aber eine solche Untersuchung sei nötig. «Es steht zu viel auf dem Spiel: das Vertrauen in die Institution, das Wohl der Patienten.»
Bericht bis in zwölf Monaten
Oberholzer will nun einerseits einen medizinischen Experten finden, andererseits aber auch eine Fachperson in der Spitalorganisation und -administration. Dieses Dreiergremium soll die Untersuchung unter Beizug weiterer Fachleute durchführen, «die natürlich auch alle unabhängig sind». Man stütze sich dabei auf die Akten, führe aber sehr wahrscheinlich auch Personenbefragungen durch. Oberholzer sagt, dass ihm das Spital komplette Unabhängigkeit zugesichert habe. «Wir können die Untersuchungen jederzeit auf neue Aspekte ausweiten.» Falls Anhaltspunkte für allfällig strafrechtliches Fehlverhalten auftauchten, so würde man dies an die Behörden weiterleiten.
André Zemp gibt an, dass der Untersuchungsbericht bis in zwölf Monaten vorliegen wird. Bis dahin werde man die Affäre nicht mehr kommentieren. Der Spitalratspräsident hofft, dass nach hektischen Jahren in der Herzchirurgie endlich Ruhe einkehren kann. «Es tut uns allen leid, dass es zu dieser Geschichte gekommen ist», sagt Zemp. «Aber wir haben unsere Lehren gezogen.» Die Herzchirurgie sei heute an einem anderen Ort. «Solche Geschichten können nicht mehr passieren.»