Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Fast 1000 Flüge belärmten nach 23 Uhr die Region

ZU 28.09.2023

Die wiederentdeckte Lust am Fliegen schlägt sich massiv im Lärmbulletin nieder: Allein im Juli gabs 86 Prozent mehr Starts und Landungen zu später Stunde.

Kaum ist die grosse Ferienzeit vorüber, steht die nächste ganz grosse Reisewelle am Flughafen Zürich bevor. Zum Herbstferienbeginn konzentriert sich das Passagieraufkommen erfahrungsgemäss auf eine viel kürzere Spanne und dürfte in diesem Jahr gar neue Höchstwerte – mutmasslich sogar höher als vor Corona – erreichen.

Still und leise hat die Flughafen Zürich AG vor wenigen Tagen das neuste Lärmbulletin veröffentlicht. Es zeigt auf, wie stark der Flugbetrieb und damit fast schon automatisch auch die Nachtruheverletzungen wieder zugenommen haben. Damit lässt sich erstmals eine genaue Sommerferienbilanz ziehen.

Im Juli und August sind mit den Passagierzahlen auch die zu spät abgewickelten Flüge massiv angestiegen. Die neue Reiselust hat am Flughafen Zürich allein in den beiden Sommerferienmonaten für 940 nächtliche Flugbewegungen gesorgt, die abends gemäss Flugplan nicht mehr rechtzeitig abgewickelt werden konnten. Das sind 60 Prozent mehr als in der gleichen Zeitspanne des Vorjahres.

Swiss-Flug LX 138 nach Hongkong gibt Gas. Die vier CFM56-Triebwerke beschleunigen die 250 Tonnen schwere Langstreckenmaschine auf eine Geschwindigkeit von 280 Kilometern pro Stunde, um vom Boden abzuheben. 15’400 Kilogramm Schub sind dazu nötig – pro Triebwerk. Das hört man. Und das kostet die Swiss Geld. Denn die 19 Jahre alte Maschine ist laut und fällt in Kloten in die Lärmklasse II. Lauter sind nur noch zumeist ältere Maschinen, die äusserst selten anzutreffen sind.

LX 138 ist auch an diesem Abend wieder ein Rennen gegen die Betriebszeit. Das Zurückstossen wäre für 22.40 Uhr geplant gewesen. Als die Räder den Boden verlassen, zeigt die Uhr 22.57 Uhr. Das reicht, damit der Take-off gerade noch in die reguläre Betriebszeit des Flughafens Kloten fällt. Und daran hat die Swiss ein Interesse. Denn der «Verspätungsabbau», mit Starts nach 23 Uhr, kostet extra.

Der Flughafen erhebt lärmabhängige Gebühren, die Airlines dazu motivieren sollen, «lärmfreundliche Flugzeuge von und nach Zürich einzusetzen». Nachtzuschläge werden bereits ab 21 Uhr fällig. Ein A340-300 kostet zwischen 21 und 22 Uhr 800 Franken Lärmgebühr, zwischen 22.30 und 23 Uhr 1500 Franken und in der halben Stunde des Verspätungsabbaus 3000 Franken. Massgebend dafür ist stets die sogenannte «airborne time», also der Zeitpunkt des Abhebens vom Boden.

Wie der Flughafen in seinem Geschäftsbericht ausführt, sind 2022 insgesamt 12,1 Millionen Franken Erträge aus Flugzeuglärmgebühren generiert worden. Davon entfielen 5,1 Millionen auf die ordentlichen, also während 24 Stunden gültigen, Lärmgebühren und 7 Millionen auf die Tagesrand- und Nachtzuschläge, die zwischen 21 und 7 Uhr erhoben werden.

Die für den Hub Zürich festgelegte Zeit während derer An- und Abflüge regulär geplant werden dürfen dauert von 6 Uhr morgens bis um 23 Uhr nachts. Nicht dazu gehört eine weitere halbe Stunde (bis 23.30 Uhr), die der Betreibergesellschaft des Zürcher Flughafens täglich nur gewährt wird, um Verspätungen abzubauen. Diese Pufferzeit wird nun also wieder massiv stärker beansprucht.

Juli als Booster für Verspätungen

Der Anfang der Sommerferien hat einen Boost bei den Verspätungszahlen herbeigeführt: Im ganzen Monat Juli dieses Jahres starteten nach dem offiziellen Planungsschluss total 247 Flüge, während es im Juli 2022 noch 152 waren. Bei den Landungen ist der Anstieg noch frappanter und beläuft sich mit 300 zu späten Ankünften abends auf über doppelt so hohem Niveau wie im Vorjahresmonat, als Flieger insgesamt 142 Mal nach 23 Uhr auf einer Piste in Kloten aufgesetzt haben.

Alles in allem haben sämtliche nach 23 Uhr abgewickelten Flüge am Zürcher Flughafen im Juli, verglichen mit dem Juli des Vorjahres, um 86 Prozent zugenommen. Nämlich von 294 auf 547 Starts und Landungen.

August weniger stark verspätet

Der August 2023 brachte mit 35 Prozent ebenfalls einen deutlichen Anstieg verspäteter nächtlicher An- und Abflüge, wenn auch etwas weniger stark als im Vormonat. Von den betreffenden 393 Flügen (2022: 291) hoben 208 (152) zu spät ab und kamen 185 (139) zu spät an.

Der Flughafen selber verweist auf Anfrage auf grundsätzliche Probleme bei der Abwicklung der Flüge. «31 Prozent der Flüge im europäischen Netzwerk hatten im August ein verspätetes Startzeitfenster wegen zu geringer Kapazität im europäischen Luftraum erhalten.» Dies sei im Vergleich zum Juli ein «leichter Rückgang», als 36 Prozent der Abflüge davon betroffen gewesen seien.

Solche Verspätungen summieren sich im Verlaufe des Tages auf den einzelnen Einsatzstrecken der Flieger und wirken sich spätabends auf die letzten Flüge des jeweiligen Tages aus, erklärte Oliver Buchhofer, Head of Operations bei der Swiss, jüngst gegenüber dieser Zeitung.

«Hauptgründe waren Personalengpässe bei den Flugsicherungen, aber auch ungünstige Wetterlagen.»

Medienstelle Flughafen Zürich AG

Die Flughafen Zürich AG nennt ebenfalls solche sogenannten Rotationsverspätungen als Verstärker des Verspätungsproblems. Zudem gibt sie für die Sommerferienzeit ganz generell an, «Hauptgründe waren Personalengpässe bei den Flugsicherungen, aber auch ungünstige Wetterlagen». Letztere seien in der Region um den Zürcher Flughafen im August so ungünstig gewesen, dass «während eines Viertels der Zeit nicht das reguläre Betriebskonzept» habe angewendet werden können.

Einzelne Linienflüge nach Mitternacht

Die allermeisten Flüge ausserhalb der geplanten Flugzeiten des Flughafens erfolgen innerhalb jener halbstündigen Pufferzeit zwischen 23 Uhr und 23.30 Uhr. Dies zeigte sich auch in den beiden zurückliegenden Sommerferienmonaten. Das Lärmbulletin weist unter dem Titel «Flugbewegungen während der Nachtflugsperrzeit» separat ebenfalls all jene Flüge aus, die zwischen 23.30 und 6 Uhr stattfanden. Nur sie benötigen eine Ausnahmebewilligung.

In dieser Zeitspanne erfolgten diesen Sommer 120 Starts und Landungen (90 im Juli; 30 im August). Fast alle davon wurden innerhalb einer Stunde rund um Mitternacht abgewickelt. Davon waren wiederum fast alles Linienflüge (105), von denen die meisten (92) kurz vor Mitternacht stattfanden. Erst nach Mitternacht starteten in Kloten ein Dutzend Flüge, einer erst zwischen halb ein und ein Uhr. Landungen von Linienjets nach Mitternacht gabs im Juli und August dagegen keine.

Während sich die Passagierzahlen von und nach Zürich-Kloten insgesamt also wieder prächtig erholen und bei mittlerweile über 90 Prozent der Vor-Corona-Zeit liegen, umgekehrt dürften sich manche Anwohnerinnen und Anwohner des Flughafens wieder ungleich schwerer tun beim Erholen des Nachts.