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Keine Südstarts geradeaus

Gut gemeint, schlecht gemacht: Die Schwachstellen des neuen Social-Media-Gesetzes

Das geplante Meldeverfahren gegen Hassrede in sozialen Medien klingt nach einem zeitgemässen Schutz für Betroffene. Doch bei genauerem Hinsehen offenbart der Gesetzesentwurf erhebliche Lücken, die seine Wirksamkeit grundlegend in Frage stellen. Weder Identitätsdiebstahl noch Fake News sind Inhalt.

Willkürliche Priorisierung

Die Auswahl der erfassten Straftatbestände wirkt inkonsistent. Während Beschimpfungen und üble Nachrede gemeldet werden können, bleiben Identitätsdiebstahl und Fake News ausgeklammert. Gerade diese beiden Praktiken richten jedoch massiven Schaden an: Gestohlene Identitäten werden für Betrug missbraucht, während gezielte Desinformation demokratische Prozesse untergräbt. Die Priorisierung erscheint weltfremd.

Das Fake-News-Problem

Besonders gravierend ist die Nichtberücksichtigung von Falschinformationen. In Zeiten von Deepfakes und koordinierten Desinformationskampagnen ist dies eine fatale Lücke. Fake News können Wahlen beeinflussen, Gesundheitskrisen verschärfen und gesellschaftliche Spaltung vorantreiben. Wer Hassrede bekämpfen will, aber Desinformation ignoriert, bekämpft Symptome statt Ursachen – denn Hass wird oft gerade durch falsche Narrative geschürt.

Identitätsdiebstahl: Das unterschätzte Risiko

Dass Identitätsdiebstahl nicht erfasst wird, ist schwer nachvollziehbar. Wenn jemand unter fremdem Namen Posts verfasst, können dadurch Existenzen zerstört werden. Opfer haben kaum rechtliche Handhabe, während sich die Täter hinter gestohlenen Profilen verstecken. Diese Form der digitalen Gewalt sollte oberste Priorität haben.

Durchsetzungsproblematik

Ein Meldeverfahren ist nur so gut wie seine Durchsetzung. Internationale Plattformen mit Sitz im Ausland entziehen sich häufig nationaler Gesetzgebung. Ohne konkrete Sanktionsmechanismen und internationale Kooperation bleibt das Gesetz zahnlos. Die Erfahrung mit dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz zeigt: Plattformen löschen im Zweifel zu viel oder zu wenig – beides problematisch für die Meinungsfreiheit.

Ressourcenfrage ungelöst

Wer soll die Meldungen bearbeiten? Polizei und Justiz sind bereits überlastet. Ohne massive Investitionen in Personal und technische Infrastruktur droht ein Papiertiger. Meldungen würden versanden, Täter straflos bleiben, und das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat würde weiter erodieren.

Zeit für Nachbesserung

Das geplante Gesetz wirkt wie ein halbherziger Kompromiss zwischen verschiedenen Interessengruppen. Statt ein kohärentes Schutzkonzept für die digitale Kommunikation zu schaffen, pickt man sich populäre Straftatbestände heraus und ignoriert die drängendsten Probleme. Solange Fake News und Identitätsdiebstahl nicht auch berücksichtigt werden, bleibt der Schutz lückenhaft und die Glaubwürdigkeit des Gesetzgebers fragwürdig.

Siehe auch

TA 29.10.2025 – Neues Social-Media-Gesetz