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Kritik via Lobbying-Magazin: Chef des Flughafens Zürich fährt Verkehrsministerin Sommaruga an den Karren

AZ 03.03.2020

In Zürich-Kloten herrscht Unmut ob der Politik von Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga. Nun wird der Konflikt an die Öffentlichkeit getragen. 

Es waren andere Zeiten. Mit Doris Leuthard als Vorsteherin des Verkehrsdepartements (Uvek) verstand sich die Luftfahrtbranche gut. Die Alt-CVP-Magistratin hatte ein offenes Ohr für die Anliegen der Flughäfen, Fluglotsen und Fluggesellschaften. Und von Greta hatte noch niemand gehört.

Doch seit vor einem Jahr SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga das Zepter übernommen hat, hängt der Haussegen zunehmend schief. «Das Uvek gewichtet die Prioritäten nun anders», sagte ein Manager der Flughafen-Zürich-AG vor einem halben Jahr hinter vorgehaltener Hand. Und nun trägt Flughafen-Zürich-Chef Stephan Widrig den schwelenden Konflikt in die Öffentlichkeit.

In einem Lobbying-Magazin, das an Parlamentarier und Interessenvertreter geschickt wurde, übt Widrig Kritik an der im Januar verabschiedete Botschaft des Bundesrates zur Legislaturplanung 2019 bis 2023, in der die politischen Schwerpunkte und Ziele definiert sind.

«Das ist unverantwortlich»

Widrigs Problem: Die Aviatik kommt nicht vor. «Bedauerlicherweise versäumt es der Bundesrat in der Legislaturplanung, die Bedeutung der Landesflughäfen für das Erreichen seiner Ziele zu erwähnen – dies ganz im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern – und sich zu einer starken nationalen Luftverkehrsinfrastruktur zu bekennen.»

Thomas Hurter, SVP-Nationalrat und Präsident des Branchenverbands Aerosuisse, zu dem auch die Swiss gehört, geht gar einen Schritt weiter: «Dass der Bundesrat in seiner Zielsetzung die Landesflughäfen in keiner Art und Weise erwähnt, ist unverantwortlich.» Dies zeige, dass das Verkehrsdepartement unter seiner neuen Chefin Simonetta Sommaruga die Bedeutung der Luftfahrt ignoriere.

Wenn der Bundesrat den Zugang zu Weltmärkten, eine stärkere internationale Zusammenarbeit und eine gute Infrastruktur als Ziele definiere, dann müsse er auch über die Rolle der Schweizer Aviatik sprechen, sagt Hurter. Schliesslich werde jeder zweite Export-Franken über den Luftweg abgewickelt und jeder dritte Tourist komme mit dem Flugzeug in die Schweiz.

Branchenverband schreibt Protestbrief an Bundesrat

Hurter hält mit seiner Kritik nicht zurück: «Ich bin seit zwölf Jahren im Parlament und ich habe noch nie erlebt, dass das UVEK dermassen ideologisch verblendet geführt wird wie heute. Bundesrätin Sommaruga muss nicht das Parteiprogramm umsetzen, sondern Politik im Interesse des Landes betreiben.» Dies werde Aerosuisse mit einem Schreiben an die Regierung zum Ausdruck bringen und die anderen Bundesräte in die Pflicht nehmen.

Eine Uvek-Sprecherin kontert: Nicht alle Bereiche und Projekte würden in der Legislaturplanung einzeln aufgeführt, was nicht bedeute, dass sie vernachlässigt würden. Das betreffe auch andere, nicht aufgeführte Bereiche wie die Raumplanung. Zudem gehe der Luftfahrtpolitische Bericht des Bundesrat von 2016 ausführlich auf die Rolle der Landesflughäfen ein. Er enthalte aber auch Forderungen zum Klima- und Umweltschutz und verlange beispielsweise, dass die Lärmemissionen des Flugbetriebs weiter reduziert werden sollen, sagt die Uvek-Sprecherin. 

Sie verweist zudem auf den so genannten «Sachplan Infrastruktur Luftfahrt» für die Landesflughäfen Zürich und Genf, den der Bundesrat 2017 und 2018 verabschiedet hat. Auch dies sei ein Grund, warum die Landesflughäfen nicht explizit in der bundesrätlichen Legislaturplanung erwähnt würden, da diese Geschäfte derzeit vom Uvek bearbeitet würden. Dies erübrige eine erneute Aufnahme in die politische Agenda.

Zeichen der Dissonanz

Ein Blick in die Legislaturplanung von 2015-2019 zeigt derweil, dass dort die Luftfahrt zwar erwähnt wurde, jedoch nur marginal. Insofern dürfte die öffentliche Kritik von Widrig und Hurter vielmehr ein Zeichen für die Dissonanzen zwischen der Branche und dem Verkehrsdepartement darstellen.

Kommt hinzu, dass die Aviatik seit der Klimadebatte mit dem Rücken zur Wand steht und sich auf eine stärkere Besteuerung gefasst machen muss. Dass Sommaruga für ihre erste Auslandreise als Bundespräsidentin Anfang Februar mit dem Nachtzug statt mit dem Flugzeug nach Wien reiste, dürfte ebenfalls nicht jedem Branchenvertreter gefallen haben.