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Lufthansa bestätigt Verhandlung über Rettungspaket von 9 Milliarden Euro und Tauziehen um Aufsichtsratsposten

NZZ 07.05.2020

Die Lufthansa benötigt dringend Liquidität, möchte den Staatseinfluss aber verständlicherweise so gering wie möglich halten. Doch die Politiker wollen mitreden, wenn sie schon mit Steuergeldern helfen. Der Konzern bestätigte nun etwaige Elemente eines Hilfspakets.

Was die Spatzen in Deutschland schon seit vielen Tagen von den Dächern pfeifen, hat die Lufthansa am Donnerstagnachmittag per börsenpflichtiger Ad-hoc-Mitteilung bestätigt. Das Unternehmen verhandelt mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes über ein Rettungspaket in Höhe von 9 Mrd. €. An der Börse ist die Lufthansa-Gruppe derzeit noch knapp 4 Mrd. € wert.

Die Bundesregierung hat den WSF als Hilfsvehikel zur Unternehmensfinanzierung geschaffen, um wirtschaftliche Folgen der Coronavirus-Krise abzufedern. In dem Vehikel stehen 400 Mrd. € für Staatsgarantien und 100 Mrd. € für Beteiligungen zur Verfügung.

Politiker fordern Sitz(e) im Aufsichtsrat

Im Zentrum der Gespräche mit dem Bund und dem WSF steht die Finanzierung der Lufthansa-Gruppe, zu der unter anderem auch die Fluggesellschaft Swiss sowie Austrian Airlines und Brussels Airlines gehören. Die Verhandlungen und der Prozess der politischen Willensbildung würden noch andauern, heisst es. Auch diese Information wird in den Medien schon lange diskutiert.

Für das Rettungspaket gibt es verschiedene Optionen, die je nach Lösung auch kombiniert werden können. Zur Diskussion stehen, wie die Lufthansa nun bestätigt, eine stille Beteiligung und ein besicherter Kredit, dessen Konditionen aber ebenfalls noch verhandelt werden. In diesem Zusammenhang streiten der Konzern und die Bundesregierung auch über eine Beteiligung des Bundes am Grundkapital der Gesellschaft.

Dabei könnte es zu verschiedenen Arten einer Kapitalerhöhung kommen, gegebenenfalls nach einem Kapitalschnitt, um für den Bund ein Anteilsbesitz von bis zu 25% plus eine Aktie zu schaffen. Damit hätte die Bundesregierung dann eine Sperrminorität im Konzern. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds strebe zudem eine Vertretung im Aufsichtsrat an, teilt die Lufthansa mit.

Streit unter den deutschen Regierungsparteien

Es ist schon seit längerem ein offenes Geheimnis, dass sich die Verhandlungen des Lufthansa-Managements mit der Bundesregierung schwierig gestalten. Vergangene Woche Dienstag soll es sogar ein Treffen zwischen Konzernchef Carsten Spohr und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegeben haben. Über Inhalt und Ausgang des Gesprächs wurde nichts bekannt. Der Hauptstreitpunkt ist dem Vernehmen nach der künftige Staatseinfluss bei der Lufthansa, die von vielen Bürgern und vor allem Politikern immer noch als nationale Ikone und kritische Infrastruktur der Bundesrepublik angesehen wird.

In der Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD drängen offenbar vor allem die Sozialdemokraten auf einen starken Einfluss bei der Lufthansa. Im Gespräch sind die genannte Sperrminorität sowie ein bis zwei Sitze im Aufsichtsrat. Vertreter von CDU/CSU favorisieren dagegen eine stille Beteiligung ohne Stimmrechte. Sie werden dabei unterstützt von Aktionärsvertretern.

Spohr möchte verständlicherweise den Einfluss von Politikern im Konzern so gering wie möglich halten. In einem Interview mit der Wochenzeitung «Die Zeit» hatte er jüngst gesagt, wenn die Bundesrepublik einen zu grossen Einfluss auf das operative Geschäft nehmen wolle, fordere das vielleicht die österreichische Regierung ebenso, dann möglicherweise auch die Schweiz, Belgien, Bayern oder Hessen.

Lufthansa kokettiert mit Schutzschirmverfahren

Für Unmut zwischen den Verhandlungspartnern sorgte laut Medienberichten auch der angebotene Zinssatz für ein mögliches Hilfsdarlehen, der angeblich satte 9% betragen sollte. Dieser Zins scheint aber inzwischen vom Tisch zu sein. Aufgrund der komplizierten Lage und möglicherweise als Druckmittel hatte die Lufthansa vergangene Woche durchsickern lassen, auch ein sogenanntes Schutzschirmverfahren zu prüfen. Dabei handelt es sich um eine Insolvenz in Selbstverwaltung. Dieses Verfahren wurde bereits bei der Fluggesellschaft Condor angewendet.

Die Lufthansa würde dann zwar immer noch Staatshilfe benötigen, doch der Gläubigerschutz würde dafür sorgen, dass verkaufte Tickets vorerst nicht zurückerstattet werden müssten. Zudem könnte das Unternehmen neue Verträge mit Gewerkschaften, Flughäfen und anderen Partnern aushandeln sowie Pensionsverpflichtungen auslagern.

Allerdings bekäme das Management auch einen Sachwalter zur Seite gestellt, der darauf achten würde, die Interessen aller Gläubiger gleich zu berücksichtigen. Zudem handelt es sich bei dem Schutzschirmverfahren um ein deutsches Prozedere und wäre möglicherweise für die Schaffung eines Rettungspakets hinderlich, mit dem auch die Partner in der Schweiz, Österreich und Belgien zufrieden sind.

Schweiz hilft mit Krediten über 1,5 Milliarden Franken

In der Schweiz hatte der Bund der Swiss sowie der anderen Lufthansa-Tochter Edelweiss vergangene Woche über ein Bankenkonsortium und unter gewissen Bedingungen Kredite im Umfang von 1,5 Mrd. Fr. (1,42 Mrd. €) zugesichert. Knapp 1,3 Mrd. Fr, entsprechend 85% des Kredits, garantiert der Bund. Dafür erhält er das gesamte Aktienkapital der Swiss als Garantie, falls das Unternehmen die gewährten Kredite dereinst nicht mehr bedienen kann.