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Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Professor Klötzli kämpft für die Moore

 

Der Flughafen Zürich will seine Infrastruktur ausbauen und würde dabei teilweise geschützte Flachmoore tangieren. Ein Vegetationsökologe und emeritierter ETH-Professor wehrt sich dagegen – und will dieses Mal nicht wieder zu spät kommen.

Damals, 1969, kamen Frank Klötzli und seine Mitstreiter zu spät. Sie kämpften für die Flachmoore am Flughafen Zürich, wehrten sich gegen die geplante neue Piste 14/32 und weitere Vorhaben der dritten Ausbauetappe. Ihre Eingabe, die Planung zum Schutz der Moore anzupassen, war indes vergebens. Klötzli erzählt, die Bundesämter hätten mitgeteilt, dass Korrekturen zwar grundsätzlich möglich seien, wegen der schon auf September 1970 terminierten Abstimmung in Zürich aber nicht mehr eingebracht werden könnten.
 
Frank Klötzli, heute 83-jährig, damals Privatdozent und später Professor für Vegetationsökologie an der ETH Zürich, erinnert sich gut an jene Zeit, in der er weitherum bekannt werden sollte. So stand er eines Tages im Büro von Regierungsrat Alois Günthard, sprach von der Bedeutung der Flachmoore, die ihn seit Kindesbeinen faszinierten, obwohl er in den vierziger Jahren in einem Feuchtgebiet am Flughafen fast ertrunken wäre. Günthard betonte auch, dass keine Projektänderungen mehr möglich seien. Er habe aber eine Kasse mit etwa 1,5 Millionen Franken, die für Klötzlis alternativen Plan verwendbar sei: für die Verpflanzung der betroffenen Flachmoore.

Premiere in Zürich
 
Die Verpflanzung von Feuchtgebieten, geleitet von Klötzli, dem Geobotanischen Institut der ETH und Ingenieurbüros, war eine internationale Premiere. Nassstandorte zu verfrachten, sei vor allem wegen der Grundwasserversorgung schwierig, sagt Klötzli. Die Aktion war erfolgreich: So konnte etwa der rund 6000 Quadratmeter grosse Drahtseggenmoorkomplex beim Wäldchen Tägerloh gerettet werden, indem er in einen Bereich verlegt wurde, der vom Ausbau nicht tangiert war. Heute, sagt Klötzli, seien solche Verpflanzungen kaum mehr möglich, weil es viel zu teuer sei.
 

Ein wichtiges Naturreservat ist der Flughafen Zürich heute noch. Mehr als die Hälfte des Areals ist unverbaut. Fünf Flachmoore mit einer Fläche von insgesamt 80 Hektaren sind im Bundesinventar aufgenommen. Das ist insofern bedeutsam, als Moore seit der Annahme der Rothenthurm-Initiative 1987 einen besonderen Schutz in der Verfassung geniessen. Auch zahlreiche Naturschutzgebiete zeugen von der ehemaligen grossflächigen Flachmoorlandschaft: so etwa das Klotener Riet zwischen den Pisten 16/34 und 14/32. Dort leben viele seltene Pflanzen- und Tierarten. Die Pflege verantworten der Kanton und der Flughafen, dessen Sektion Grünfläche 20 Mitarbeiter beschäftigt.

Klötzli selber kann nicht mehr ins Feld, nicht mehr wie früher, als er die Entwicklung der Flachmoore beim Flughafen akribisch verfolgte. Eine 1994 erlittene Borreliose-Infektion hat seit etwa fünf Jahren so gravierende Folgen, dass seine Gehfähigkeit stark beeinträchtigt ist. Die Natur geniesst er seither vor allem in seinem rund 1000 Quadratmeter grossen Wildgarten in Wallisellen, der inklusive Bäumen rund 350 Arten beherbergt.

Klötzli schreibt aber immer noch wissenschaftliche Texte, oft in der Nacht, ist in Naturschutz-Kreisen gut vernetzt – und wehrt sich gegen aktuelle Ausbauprojekte am Flughafen Zürich. Besonders kritisch beurteilt der Ökologe die geplante Umrollung der Piste 28 und die Verlängerung der Piste 32. Die Umrollung würde viele schutzwürdige Moorbiotope gefährden, sagt Klötzli, vor allem den Quellaufstoss Goldenes Tor. Die Verlängerung der Piste 32 könne derweil ein ganz spezielles Moor gefährden – das Vordermoos, ein Übergangsmoor von seltener Unberührtheit mit vielen gefährdeten Arten.

Sicherheit contra Moorschutz

Die von Klötzli kritisierten Ausbauprojekte sind Teil der zweiten Etappe des Sachplans Infrastruktur für den Flughafen Zürich (SIL), den der Bundesrat voraussichtlich nach den Sommerferien festlegen wird. Sind sie im SIL enthalten, kann sie der Flughafen beantragen, was erfahrungsgemäss langwierige Verfahren nach sich zieht. Als Begründung für den Ausbau führt der Flughafen Sicherheitsaspekte ins Feld, die ein Bericht aus dem Jahr 2012 aufzeigte. Mit zusätzlichen Abrollwegen auf der Piste 14 und der Umrollung der Piste 28 soll verhindert werden, dass Flugzeuge, die entweder auf der Piste 14 landen oder auf der Piste 32 starten, die aktive Piste 28 queren müssen. Mit der Verlängerung der Piste 32 soll erreicht werden, dass auch schwere Grossraumflugzeuge auf ihr starten und Komplexität steigernde Umleitungen auf die Piste 34 vermieden werden könnten.

Emanuel Fleuti, Leiter der Abteilung Umweltschutz der Flughafen Zürich AG, streicht denn auch hervor, dass nur dann Moore tangiert würden, wenn es aus Sicherheitsgründen zwingend sei. Bezüglich der Kapazität wäre es für den Flughafen etwa besser, wenn die Abrollwege auf der Piste 14 früh angebracht werden könnten – so dass gelandete Flugzeuge die Piste rasch wieder verlassen könnten. Dies sei aus Moorschutzgründen aber chancenlos, sagt Fleuti. Die jetzt geplante Variante sei für das betroffene Flachmoor die beste, wie Abklärungen gezeigt hätten.

Die Alternative, keine Fläche des Flachmoors im Bundesinventar zu beanspruchen, ist laut Fleuti zwar machbar, würde das Moor aber zerschneiden und sogar stärker schädigen. Betroffen seien zwei bis drei Hektaren. Als Ausgleich seien Aufwertungsmassnahmen auf einer Fläche bis zu maximal 23 Hektaren vorgesehen. Dem Kritikpunkt, dass Flachmoore in der Verfassung geschützt seien, entgegnet Fleuti: «Wir sind uns der Bedeutung der Flachmoore bewusst und nehmen ihren Schutz sehr ernst.» Die Besitzstandgarantie sei aber älter als der Moorschutz. Und sie besage, dass die Infrastruktur erhalten und ausgebaut werden dürfe, wenn dies zum Funktionserhalt nötig sei, insbesondere aus Sicherheitsgründen.

Keine Konfliktpunkte sieht Fleuti bei einer Verlängerung der Piste 32. Der Ausbau sei nur um 280 statt wie ursprünglich vorgesehen um 400 Meter geplant – der Abstand zum Naturschutzgebiet Vordermoos bleibe so gross, dass keine Schädigungen entstünden. Geplant sei zudem, den Flughafenzaun um das Vordermoos zu schliessen, so dass auch die grössten Feinde der Moore keinen Zugang mehr hätten – streunende Katzen, welche die Fauna stark strapazierten. Aus Sicht des Naturschutzes unproblematisch sei eine Verlängerung der Piste 28, da dort primär Landwirtschaftsgebiet betroffen sei.

Gestützt wird die Argumentation Fleutis vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) und vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl). Das Bafu verweist darauf, dass die Flughafenanlage integral Bestandesschutz geniesse. Dazu gehörten auch die Zulässigkeit von Unterhalt und Erneuerung einschliesslich sicherheitsrelevanter Aspekte. Das Bazl äussert sich ähnlich. Die Umrollung der Piste 28 sei nach einer ersten Einschätzung im Sinne der Bestandesgarantie möglich. Durch das Projekt könne das Unfallrisiko vermindert werden. Alternativen mit gleichem Effekt seien nicht bekannt. Die abschliessende Beurteilung, ob das Vorhaben rechtlich zulässig sei, erfolge dann indes im nachfolgenden Plangenehmigungsverfahren.

Die Besitzstandgarantie hat das Bundesparlament jüngst aufgewertet, im Rahmen der Teilrevision des Luftfahrtgesetzes. Im Falle der Landesflughäfen soll sie gegenüber dem Moorschutz stärker gewichtet werden. SP-Nationalrat Thomas Hardegger ärgert sich, stellt die Bedeutung des Entscheids angesichts des Moorschutzes in der Verfassung aber infrage: «Das Thema wird sowieso Stoff bieten für zähe Rechtsverfahren.» Zähigkeit kündet auch Klötzli an. Den Fehler, zu spät zu kommen, wolle er nicht noch einmal begehen. Er meint: «Die ökologisch hochwertigen und verfassungsmässig geschützten Moorbiotope müssen intakt gelassen werden. Das sind wir auch im Flughafengebiet der Natur schuldig.»