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Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Rösti will umstrittene Nachtflüge rechtlich besser absichern

TA 09.09.2024 – Garantie für Flughäfen

Fluglärmgegner kämpfen in Zürich und Genf für längere Nachtflugsperren. Nun aber will der Verkehrsminister den Flughäfen eine Besitzstands­garantie geben. Die Flughafenbetreiber applaudieren.

Albert Rösti hat sich am Montag bedankt: bei den beiden Landesflughäfen Zürich und Genf, für deren seiner Ansicht nach wertvolle Arbeit. Bei einem Treffen mit Vertretern der Luftfahrtindustrie und den beiden Standortkantonen unterstrich der Verkehrsminister, welch grosse volkswirtschaftliche Relevanz es habe, dass die Schweiz dank ihren Flughäfen international breit angebunden sei.

Doch diese Vernetzung sehen flughafenfreundliche Kreise bedroht; aufgeschreckt werden sie durch eine kantonale Volksinitiative in Zürich. «Verantwortungslos» sei es, den Flughafen Zürich zu einer strikten Einhaltung der siebenstündigen Nachtruhe zu verpflichten, warnt etwa das Komitee Weltoffenes Zürich. Die sogenannte Nachtruhe-Initiative, im April von der Anti-Fluglärm-Organisation Fair in Air eingereicht, verlangt am Flughafen Zürich ein Flugverbot von 23 bis 6 Uhr.

Heute darf der Flughafen die halbe Stunde von 23 bis 23.30 Uhr für den Abbau von Verspätungen nutzen. Fiele dieses Zeitfenster weg, so warnen die Initiativgegner, wären Langstreckenverbindungen gefährdet – und damit der Anschluss der Schweiz an wichtige Destinationen in Asien, Südamerika und Afrika. Dies wäre aus ihrer Sicht umso fataler, als die Nachtruhe in den letzten Jahren bereits «massiv ausgedehnt» wurde; bis zum Jahr 2000 hätten Betriebszeiten von 5 Uhr bis 0.30 Uhr gegolten.

Am Flughafen Genf gilt Nachtruhe von 0 bis 6 Uhr

Die Volksinitiative zeigt exemplarisch, wie Fluglärmgegner versuchen, die Betriebszeiten der Flughäfen einzuschränken – und damit auch den Lärm, dem die Anwohnerschaft ausgesetzt ist.

Das Thema polarisiert auch in der Romandie. Auf dem Flughafen Genf gilt die Nachtruhe von 0 bis 6 Uhr, wobei auch hier ein Verspätungsabbau von 30 Minuten erlaubt ist. Streitpunkt ist nicht nur die Frage, ob der Flughafen genügend tut, um die Flugbewegungen nach 22 Uhr zu begrenzen, wie er es, ausgelöst durch einen Beschluss der Genfer Stimmbevölkerung, von Gesetzes wegen tun müsste. Umstritten ist auch, in welchem Perimeter der Flughafen übermässigen Lärm erzeugen darf; dazu ist vor Bundesverwaltungsgericht ein Verfahren hängig, angestrengt von Fluglärmgegnern.

Schutz vor strengeren Grenzwerten

Die politischen und juristischen Auseinandersetzungen bedeuten für die Schweizer Luftfahrtbranche also ein Risiko – ein Risiko, das Verkehrsminister Albert Rösti nun offenbar möglichst minimieren will. Anlass bietet die laufende Revision des Luftfahrtgesetzes. Heute sind die Landesflughäfen Zürich und Genf als Gesamtanlagen in ihrem Bestand geschützt.

Rösti will nun gesetzlich verankern, dass diese Besitzstandsgarantie explizit auch für den Betrieb gilt. Damit will er sicherstellen, dass die Eckwerte des Flughafenbetriebs, etwa die Betriebszeiten, durch umweltrechtliche Lärmsanierungsverfahren nicht eingeschränkt werden können. Zugleich betont er, dass der Lärmschutz in der Nacht weiterhin einen hohen Stellenwert einnehme.

Das federführende Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) versichert auf Nachfrage, es ändere sich inhaltlich nichts. Gestützt auf die gesetzlichen Vorgaben und auf Basis des Sachplans Infrastruktur Luftfahrt sei das Bazl heute schon verpflichtet, Gesuche um Verkürzungen der Betriebszeiten abzulehnen. «Es ist Gemeinwesen, Organisationen oder Privatpersonen aber heute und künftig unbenommen, sich für eine Verkürzung der Betriebszeiten einzusetzen.»

Die Fluglärmgegner beurteilen die geplante Anpassung im Gesetz anders. «Nach der Atomlobby dient Albert Rösti nun auch der Flughafenlobby», sagt Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone.

Die Genferin teilt sich zusammen mit der SP-Nationalrätin und Klotenerin Priska Seiler Graf das Präsidium von Klug, der Koalition Luftverkehr, Umwelt und Gesundheit. Unter deren Dach setzen sich 28 regionale und nationale Organisationen für eine Reduktion der «schädlichen Auswirkungen des Luftverkehrs» ein.

Konkret befürchten die Fluglärmgegner, dass die Betriebszeiten mit dem neuen Gesetzespassus absoluten Vorrang gegenüber Umweltschutznormen erhalten. Rösti wolle so politische Initiativen für mehr Lärmschutz ins Leere laufen lassen und verhindern, dass das Bundesgericht darüber entscheide, ob die geltenden Nachtflugsperren aus Gründen des Lärm- und Umweltschutzes noch verhältnismässig sind.

Fachleute empfehlen schärfere Lärmgrenzwerte

«Die wirtschaftlichen Argumente», kritisiert Priska Seiler Graf, «werden so stärker gewichtet als die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt.» Damit untergrabe Rösti all die Bemühungen der letzten Jahre, die darauf abzielten, zwischen den Flughafenbetreibern und der Bevölkerung gegenseitiges Verständnis aufzubauen, vor allem auch mit Blick auf die Nachtflugsperre.

Druck kommt nicht nur vonseiten der Fluglärmgegner. Die Eidgenössische Kommission für Lärmbekämpfung hat bereits vor drei Jahren klargestellt, dass sie den Fluglärm «strenger als bisher beurteilt», basierend auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung.

Die Kommission rät daher zu strengeren Grenzwerten – was den Flughafenbetrieb einschränken könnte. Inwieweit die Politik diese Empfehlung umsetzen wird, ist unklar. Gemäss Informationen dieser Redaktion hat im Sommer unter Röstis Führung eine Konsultation zum Bericht der Kommission stattgefunden, eingeladen waren die Flughafenverantwortlichen und die Koalition Klug.

Die Flughäfen unterstützen Röstis Plan

Die Flughafenbetreiber dagegen begrüssen Röstis Plan. Die Rahmenbedingungen wie die Betriebszeiten seien entscheidend für die Fähigkeit des Flughafens Genf, seine Rolle als nationaler Flughafen zu erfüllen, sagt Flughafensprecher Ignace Jeannerat. «Aus diesem Grund können wir den Willen des Bundesrates nur unterstützen, dass er eine solche Besitzstandsgarantie einführen will.»

Ähnlich tönt es beim Flughafen Zürich. Sprecherin Bettina Kunz schreibt: «Um der Schweiz auch in Zukunft das zu bieten, was sie heute an Direktverbindungen, Wohlstand und Arbeitsplätzen hat, ist es zentral, dass die heutigen Rahmenbedingungen nicht weiter eingeschränkt werden.»