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Zürich - Schweiz

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Unispital-Kapitän: Steuer-Millionen zur eigenen Rettung

IP 24.8.2024 –  Lukas Hässig

André Zemp wird zum Hauptakteur im Herz-Skandal: Statt aufzuräumen, schützt sich Ex-KPMG-Partner mit teuren Beratern.

Links auf dem Podium sass am Donnerstag André Zemp, den kennt man: Präsident des Spitalrats des Universitätsspitals Zürich (USZ). Der Kapitän.

In der Mitte ebenfalls ein bekanntes Gesicht, ein anderer Doktor: Jurisprudenz, Ex-Bundesrichter Niklaus Oberholzer.

Aber der rechts? S. Wyer, stand auf dem Kärtchen. Stefan Who? Der Mann war für die Frage-Antwort-Moderation mit den Journalisten zuständig.

Vatikan, Armee, Behörden: Oberstleutnant Wyer an allen Fronten.

Es ging um die Vorstellung von Oberholzer als Aufarbeiter eines der grössten Medizinskandale der Schweizer Geschichte.

200 Menschen könnten von 2016 bis 2020 unnötig ihr Leben in der USZ-Herzchirurgie verloren haben. Möglicher Grund: Finanzielle Gier des damaligen Klinikchefs.

Es ist die gefühlt siebte oder zehnte Untersuchung in der Zürcher Herz-Causa. Jetzt aber wirklich total „unabhängig“, so Zemp, der Chef.

Doch warum dann Wyer? Ein Externer, Partner bei der Kommunikationsagentur KMES, mit Mandat der Schweizergarde im Vatikan?

Wyer führt die Medienstelle des USZ vorübergehend. Sein Stundenhonorar liegt geschätzt bei 500 Franken.

Oder mehr.

Clarissa Haller beginnt bei diesem Tarif vielleicht, Interesse zu signalisieren. Auch sie gehört zur Truppe von externen Beratern, die Präsident Zemp um sich schart.

Haller war oberste Kommunikations-Frau der Credit Suisse. Da verdiente sie siebenstellig im Jahr.

Als Tidjane Thiam das Ruder übernahm, war sie schnell weg. Bei der Dynamics Group tauchte Haller als Partnerin wieder auf.

Die Dynamics zählt zu den Top-3 auf dem Platz Zürich. Senior Partner Andreas Durisch, ein Ex-SonntagsZeitungs-Chef, coacht Migros-Boss Mario Irminger, Gründer Edwin van der Geest gehört zur Old-PR-Schickeria.

Hallers Tarif? Nördlich von 500.

Sie steuert im Hintergrund, Wyer spielt den Frontmann.

Und Niklaus Oberholzer? Der will erst vor wenigen Tagen den Aufklärungsauftrag erhalten haben.

Auch er ist nicht billig. Die „UK 16-20“, Projektname für die Operation „Finale Herz-Aufklärung“, werde schon etwas kosten, so Zemp.

Öffentliche Ausschreibung des Auftrags, wie es das Submissionsgesetz vorsieht?

Nicht doch. Das wäre nicht Zemp.

Der höchste Verantwortliche wird damit immer mehr zur entscheidenden Figur im Drama. Dort steht für Zürich viel auf dem Spiel.

Nahmen höchste Ärzte Patientenschädigung in Kauf, um sich die Taschen mit Pfusch-Implantaten zu füllen? Mit Reibbach in der Dimension von 700 Millionen Dollar?

690 Mio. sind geflossen: Wohin? (USZ)

Floss gar Geld klandestin in weitere Beutel? Wer profitierte alles?

Und was machten die Aufseher, als klar wurde, dass unter Francesco Maisano, wie der Herzchirurgie-Chef jener Zeit heisst, die Mortalitätsrate keine Grenzen mehr kannte?

André Zemp sass zu jener Zeit im Triemli. Dem Zürcher Stadtspital, eine Art kleiner Zwillingsbruder des grossen USZ.

Im Sommer 2019 glaubte Zemp an die historische Chance, dem USZ die Paradedisziplin Herz-Chirurgie abzuluchsen.

Maisano war mit den vielen Verstorbenen und Havarierten intern bereits zum Thema geworden. Die USZ-Leitung wollte ihn elegant auf einen Frühstücks-Job wegbefördern.

Die Schwäche versuchte Zemp für sein Triemli auszunutzen. Die USZ-Herzchirurgie sollte unter Kontrolle seines eigenen Top-Chirurgen kommen.

Omer Dzemali, einer der wenigen Götter in Weiss, den die ganze Schweiz kannte – Homestories in der Ringier-Presse sei Dank.

Zemps machiavellistisches Manöver scheiterte; der Mailänder Maisano spielte nicht mit, die Todeszahlen am USZ schossen weiter in die Höhe.

Bis Ende 2019 ein Leitender Oberarzt Maisano intern anzeigte. Den Rest kennen wir: Whistleblower weg, Maisano weg, Nachfolger Paul Vogt reisst das Steuer herum.

Und wird von der Justiz wegen einer Lappalie verfolgt. Bis heute, trotz erstinstanzlichem Freispruch.

Immer, wenn vermeintlich das Ende da war, folgte der nächste Fieberschub. Diesen Frühling durch die ferne Berliner „Welt am Sonntag“.

Deren ausführliche Aufarbeitung erschütterte die oberste Zürcher Politik. Die Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli geriet immer mehr in den Strudel.

Sie war es vermutlich gewesen, die Zemp, „ihrem“ USZ-Mann, im Mai nach dem ersten Aufflammen des jüngsten Brandherds Order gegeben hatte: Mach was. Ich brauche Ruhe.

Zemp kündigte eine „unabhängige Expertenkommission“ an, den vielen, möglicherweise unnötigen, Toten in der Ära Maisano auf den Grund gehen würde.

Bis im Herbst würde man die Mitglieder für die externe Aufarbeitung haben, verkündete Zemp von der Brücke. Sprach, und ging auf Tauchstation.

Im heissen Sommer 2024 gab sein USZ auf Medinside, einem Spitalblog, dann Erstaunliches zum Besten: Wir untersuchen jetzt auch die Geschädigten.

Ausweitung der zentralen Untersuchungsgrösse, mal schnell per Mini-Medium kundgetan.

Und jetzt also, vor zwei Tagen, die grosse Medienkonferenz: In der Anatomie des USZ, wo die Toten seziert werden.

Statt wie versprochen hochkarätige Mitglieder aus Chirurgie, sonstiger Medizin, Kriminalistik und Wirtschafts-Prüfern vorzustellen, präsentierte Zemp „Dr.“ Oberholzer.

Berühmt aus der Fifa-Untersuchung.

Oberholzer sass im Aufsichtsgremium der Bundesanwaltschaft, als deren Leiter Michael Lauber Fussball-Oberfunktionär Gianni Infantino zum Kaffee-Kränzchen traf, statt den Beschuldigten hart anzupacken.

Oberholzer, ein Mann des Ostschweizer SP-Establishments, war mit Lauber besonders lieb und nett. So eilt ihm der Ruf voraus, für die bedrängte Elite des Landes die Kohlen aus dem Feuer zu holen.

Mit „unabhängigen“ Untersuchungen.

Er sei gänzlich unbefleckt, was das USZ angehe, meinte Oberholzer bei seinem Auftritt vor der Zürcher Presse, und würde sich als Erstes einlesen und dann den einen oder anderen Spezialisten beiziehen.

Aus Zemps gross angekündigter Expertenkommission, mit Spitzenärzten und -juristen, ist die „UK 16-20“ mit vorerst einem einzigen Mann zur Rettung der bedrängten Funktionäre und Politiker geworden.

Das Manöver trägt die Handschrift des USZ-Präsidenten. Markenzeichen „Faustdick auf leisen Sohlen“.

Mit Zahlen, Prüfberichten und Liebesdiensten für seine Mandanten kennt sich Zemp nämlich aus. Nach einer HWV-Schnellbleiche und dem CFO-Job beim Zuger Kantonsspital wurde er selbstständiger Treuhänder.

Ob es ihm nicht rund lief oder was sonst das Problem war, ist nicht klar. Jedenfalls stieg Zemp als Partner bei anderen ein.

Bei der grossen KPMG wurde er 2011 Partner für „Healthcare“. Da hatte er Zugang zu den Obersten der grossen Kliniken in der Schweiz.

Die gerieten durch politischen Spardruck zunehmend in Stress. Not am Mann bei den grossen Krankenhäusern.

Für Zemp, der Mann der Finanzen, die grosse Karrierechance: 2017 gelang ihm der Sprung an die Front.

CEO Stadtspital Zürich mit seinen zwei Standorten Triemli und Waid.

Rasch machte der neue Steuermann das, was er bei der KPMG als Berater seinen Kunden empfohlen hatte: Verselbstständigungen, Beteiligungen, Auslagerungen.

Financial Engineering.

Sein Gesellenstück ist die Klinikgruppe Valens, eine Reha-Gruppe aus der Ostschweiz, der Zemp 2019 mit dem Auftrag des Triemli-Spitals zum Durchbruch verholfen hatte.

Heute zählt die Kliniken Valens-Gruppe nach eigenen Angaben mehrere stationäre und ambulante Stationen für die Rehabilitation von jährlich über 6’000 Patienten.

Ein neuer, schlagkräftiger Player im Schweizer Gesundheitsmarkt, der als Stiftung vorne im Multi-Milliarden-Business mitmischt.

Zemp war zentral dafür. Er selbst tauchte – nach einer Anstandsfrist von 2 Jahren – selber in der Valens auf.

Anfang 2022 nahm er Platz im Stiftungsrat der Valens-Gruppe, das entspricht dem VR eines Unternehmens. Per Mitte 2022 wurde er sogar Valens-Präsident.

Kernkompetenzen eines öffentlichen Spitals auslagern, die Aufgaben einem externen Anbieter übergeben, dort dann selber weit oben auftauchen:

Für Zemp ein Kinderspiel.

Im USZ könnte es gleich gehen.

Per Ende 2023 schuf Zemp die ZüriPharm, das ist eine neue AG, die als Tochter des USZ die Dienstleistungen der alten Zürcher Kantonsapotheke übernahm.

Für den VR der ZüriPharm kürte Zemp Arianne Moser.

Die FDP-Gesundheitspolitikerin hatte zu ihrer Schlusszeit im Kantonsrat die Herz-Untersuchungskommission präsidiert und den Skandal im Kern als Fight von Ärzte-Alphas abgetan.

Was soll die Aufregung. Gut zwei Jahre später gabs das Jöbli im neuen VR.

Merci, André.

Valens und ZüriPharm zeigen, wie Zemp „Divide et impera“ beherzigt.

Der USZ-General ist ein Kenner des altrömischen Führungsprinzips. Nehmen und Geben, nennen es die einen, Säuhäfeli-Säudeckeli die weniger Freundlichen.

In Zürcher Edelkreisen gang und gäbe. Doch jetzt muss sich weisen, ob die Banden halten. Denn Zemp ist plötzlich persönlich in gefährliches Schussfeld geraten.

Der Auslöser des Herz-Skandals, Whistleblower und Ex-Chirurg André Plass, hat ihn nämlich angezeigt. Zusammen mit weiteren aktuellen USZ-Spitzenkräften.

Die würden potenzielle Straftaten durch Wegschauen ungeahndet lassen.

Plass‘ Anzeige hatte der SonntagsBlick vor Monatsfrist vorab angekündigt. Kaum war die Story publiziert, kamen wundersame Dinge ins Rollen.

Hatte Zemp zuvor seit seinem Start zuoberst im USZ im Sommer 2021 auf keine einzige der vielen direkten Zuschriften von Plass reagiert, liess er nun die Fühler ausstrecken.

Zunächst über eine bekannte Journalisten aus dem Hause Tages-Anzeiger, die in der Causa Maisano zu den treibenden Kräften zählt.

Sie wollte Plass in Namen von Zemp von der Einreichung seiner Strafanzeige abbringen.

Machen wir doch lieber eine gemeinsame Aussprache, so ihr Vorschlag.

Für Plass kein Problem, nur ändere das nichts an seinem Vorhaben mit der Justiz.

Als nächster tauchte ein Anwalt auf.

Beim Juristen handelt es sich um einen renommierten Strafverteidiger auf dem Platz Zürich, der für seinen neuen Mandanten Zemp einen Termin mit dem Whistleblower suchte.

Als klar wurde, dass Plass seine ausführlichen Vorwürfe bereits bei der Staatsanwaltschaft Zürich deponiert hatte, war von einem Treffen plötzlich keine Rede mehr.

Stattdessen trat „Dr. No“, wie die CH Media Ex-Bundesrichter und „Elite“-Troubleshooter Niklaus Oberholzer einst genannt hatte, auf den Plan.

Von Spital-Kapitän André Zemp aus dem Nichts mit der wichtigsten Untersuchung der letzten Jahrzehnte im Krimi um unzählige Tote und Geschädigte mandatiert.

Drei Monate die Hände in den Schoss gelegt, dann in Panik den „Fixer“ aufgeboten, dies mit viel Steuergeld, und das zum Eigenschutz?

Selbstverständlich nicht, so der Eindruck, den Zemp bei seinem Auftritt am Donnerstag erwecken wollte.

Er bedauere das Vorgefallene in der Ära des früheren Herzchirurgie-Chefs ausserordentlich – Derartiges werde im Vorzeigespital ganz bestimmt nie mehr passieren.

Dann aber machte Zemp klar: Das USZ werde ab jetzt schweigen. Und er und sein Spitalrat würden sich gegen jene, die dem USZ Böses wollten, vehement zur Wehr setzen.

Spricht so jemand, der 200 Toten auf den Grund gehen will? Oder jemand, der befürchtet, zuletzt als Untätiger und Vertuscher in einem Krimi der Extraklasse dazustehen?