Die fatale Logik der Auslagerung sozialer Probleme
In immer mehr Gemeinden verwandeln sich Asylunterkünfte schleichend in Sammelbecken für Menschen, die eigentlich nichts mit Flucht und Asyl zu tun haben. Obdachlose, psychisch Kranke, Suchtkranke – sie alle landen dort, wo gerade Platz ist. Die Begründung klingt pragmatisch: eine Notlösung, zeitlich befristet, mangels Alternativen. Doch diese vermeintlich praktische Lösung schafft Probleme, die weit über die betroffenen Quartiere hinausgehen.
Wenn der Zweck die Mittel heiligt
Der Gedanke scheint verführerisch einfach: Ein Bett ist ein Bett, eine Unterkunft eine Unterkunft. Warum also nicht vorhandene Kapazitäten nutzen? Die Realität zeigt jedoch, dass Asylzentren für einen spezifischen Zweck konzipiert sind. Sie sollen Menschen aufnehmen, die auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung oder existenzieller Not sind – nicht Personen mit komplexen psychosozialen Problemen, die intensive Betreuung benötigen.
Die Vermischung dieser Gruppen überfordert nicht nur das Personal, das für Asylbetreuung ausgebildet wurde, sondern auch die Bewohner selbst. Traumatisierte Geflüchtete treffen auf Menschen in akuten Krisen. Die notwendige Ruhe zur Verarbeitung des Erlebten fehlt, Spannungen sind vorprogrammiert.
Die Nachbarschaft als stiller Verlierer
Wenn aus einer Asylunterkunft ein Auffangbecken wird, leidet auch das soziale Gefüge der Umgebung. Polizeieinsätze häufen sich, Anwohner fühlen sich zunehmend unwohl. Die Akzeptanz für Geflüchtete – ohnehin ein fragiles Gut – schwindet, wenn Sicherheitsvorfälle und soziale Konflikte das Bild prägen.
Das ist nicht nur ungerecht gegenüber denjenigen, die tatsächlich Asyl suchen, sondern auch gefährlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wenn Ängste geschürt werden, weil Probleme nicht dort gelöst werden, wo sie hingehören, sondern dorthin verschoben, wo sie weniger sichtbar scheinen, droht eine Entsolidarisierung.
Fehlende Alternativen – oder fehlender Wille?
Die entscheidende Frage lautet: Gibt es wirklich keine Alternativen? Oder fehlt schlicht der politische Wille, in adäquate Sozialstrukturen zu investieren? Betreutes Wohnen für Menschen mit psychischen Erkrankungen, niederschwellige Notschlafstellen, Suchtberatungsstellen mit Übernachtungsmöglichkeiten – all das kostet Geld und erfordert Planung.
Die Auslagerung in Asylzentren ist die billigste, aber auch die schlechteste Lösung. Sie verschiebt das Problem, anstatt es zu lösen. Sie instrumentalisiert bestehende Infrastruktur für Zwecke, für die sie nicht gedacht ist. Und sie ignoriert, dass sowohl Asylsuchende als auch Sozialfälle Anspruch auf eine ihrer Situation angemessene Unterbringung haben.
Verantwortung statt Verdrängung
Gemeinden, die diesen Weg gehen, handeln bestenfalls kurzsichtig, schlimmstenfalls fahrlässig. Die Verantwortung für soziale Problemlagen kann nicht einfach an Asylstrukturen delegiert werden. Es braucht den Mut, unbequeme Lösungen zu diskutieren: Investitionen in Sozialarbeit, in therapeutische Angebote, in bezahlbaren Wohnraum.
Wer aus Asylheimen Auffangbecken macht, gefährdet nicht nur die dort lebenden Menschen, sondern untergräbt auch das Vertrauen in staatliche Institutionen. Die Frage ist nicht, ob wir uns bessere Lösungen leisten können – sondern ob wir uns diesen Weg noch länger leisten wollen.
Siehe auch aktuelles Thema in Maurmer Zeitung
MZ 22.10.2025 – Asylheim sorgt erneut für Unruhe