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Zukunft der «Maurmer Post»: Interview mit Gemeindepräsident Yves Keller

Maurmer Post 07.06.2024

«Die Aufgabe des Gemeinderats ist es, den Willen unserer Bevölkerung umzusetzen»

In der MP vom 31. Mai 2024 veröffentlichte die Gemeinde eine Mitteilung zu den «umfangreichen Abklärungen», die im Zusammenhang mit der «Maurmer Post» vorgenommen wurden. Zeit, ein paar Fragen an Yves Keller zu stellen.

Yves Keller, möchten Sie persönlich die «Maurmer Post» immer noch privatisieren?
Nein. Die Aufgabe des Gemeinderats ist es, den Willen unserer Bevölkerung umzusetzen. Und die Bevölkerung hat sich vor einem Jahr gegen die Privatisierung entschieden.

Wären ohne die vier eingegangenen Beschwerden beim Bezirksrat diese Abklärungen notwendig gewesen, wo sich doch die Gemeindeversammlung vor genau einem Jahr für eine gemeindeeigene Publikation mit einer inhaltlich unabhängig arbeitenden Redaktion entschieden hat?
Diese Abklärungen wären aus Sicht des Gemeinderats tatsächlich nicht nötig gewesen. Die Bevölkerung hat ihre Haltung im letzten Jahr klar geäussert. Durch die Beschwerden beim Bezirksrat ist das Thema rund um die Strukturen der «Maurmer Post» jetzt aber auf eine juristische Ebene gestellt worden.

Warum hat damals die Gemeinde diese juristischen Abklärungen nicht vorab getroffen, bevor sie überhaupt in den aufwändigen Privatisierungsprozess gegangen ist mit Mitwirkungsforum, Bevölkerungsbefragung und Beratung durch Dimedio?
Die «Maurmer Post» gehört der Bevölkerung von Maur. Also soll doch auch die Bevölkerung über die Strukturen und den Inhalt ihrer eigenen Zeitung befinden. Der Gemeinderat organisierte darum einen Mitwirkungsprozess zum Thema «Entwicklung Maurmer Post». Die Durchführung einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage war Teil des Prozesses. Der Gemeinderat interessierte sich dafür, was die Bevölkerung will, und sah keinen Grund, ohne Not ein Gericht anzurufen.

Die Gemeinde schreibt in der Medienmitteilung, sie habe Fachexperten beigezogen und das Gemeindeamt um Stellungnahme gebeten. Die Stellungnahme des Gemeindeamts wurde nun kommuniziert. Was waren denn die Einschätzungen der Fachexperten? Wer waren diese?
Wie gesagt: Die Notwendigkeit, die heutigen Strukturen auf ihre Rechtmässigkeit hin zu überprüfen, ist aufgrund der aufsichtsrechtlichen Beschwerden und der Turbulenzen der letzten Monate gegeben. Für die Beurteilung der Strukturen und die rechtlichen Abklärungen ist RA Prof. Dr. iur. Tomas Poledna mandatiert. Mit der kommunikativen Beratung in diesem Geschäft ist die Dimedio GmbH Uster beauftragt. Gemeindeamt, Rechtsberater und Kommunikationsberater sind sich einig: Die heutigen Strukturen sind ein Konstruktionsfehler. Diese Erkenntnis ist übrigens nicht neu. Das Spannungsfeld wurde im Zuge des Mitwirkungsprozesses bereits geortet, aber von den rund 20 in den Prozess involvierten Personen ganz unterschiedlich bewertet.

Ein Hauptkriterium für die Abklärungen ist die mögliche «investigative Berichterstattung ». Was ist juristisch gesehen denn investigativ? Wo liegt die Grenze von kritisch-hinterfragender Berichterstattung zur «investigativen»? Welche Berichte der Vergangenheit würde die Gemeinde als «investigativ» und unzulässig im Sinne des Gemeindeamts taxieren?
Es geht in der juristischen Klärung, nicht um die Definition von investigativem Journalismus. Es geht um die Rechtmässigkeit der Strukturen.

Der Schweizer Presserat legt ausdrücklich dar, dass die Auswahl publizierter Informationen Sache der Redaktion ist und dass es inakzeptabel ist, dass ein(e) Herausgeber(in) direkten Einfluss auf den redaktionellen Inhalt nimmt. Warum ist es dann so kritisch, dass die Gemeinde Herausgeberin der «Maurmer Post» ist, wenn wir doch unabhängig berichten dürfen?
Das ist eine sehr gute Frage. Sie führt direkt ins Zentrum der Problematik. Eine Gemeinde funktioniert nicht nach den Regeln des Schweizer Presserats, sondern sie hat sich an die bundes- und kantonalrechtlichen Vorgaben zu halten. Tatsache ist: Die Bevölkerung von Maur wünscht sich eine Gemeindepublikation, die unabhängig berichtet und Meinungsbildung beinhaltet. Gleichzeitig möchte sie, dass die Gemeinde Herausgeberin ist – was zur Folge hat, dass die redaktionellen Mitarbeitenden Angestellte der Gemeinde sind. Tatsache ist ebenso: Die publizistische Unabhängigkeit auf der einen und die personalrechtliche Abhängigkeit auf der anderen Seite stehen im Widerspruch zueinander. Das Gemeindeamt sagt unmissverständlich: Eine Gemeinde kann keine unabhängigen Gemeindepublikation herausgeben.

«Die publizistische Unabhängigkeit auf der einen und die personalrechtliche Abhängigkeit auf der anderen Seite stehen im Widerspruch zueinander.»

Yves Keller

Das ist die Ausgangslage. Und das ist der Grund, weshalb der Gemeinderat vom Bezirksrat, dem Aufsichtsorgan, eine Klärung der Rechtslage einfordert, bevor er neue Strukturen baut oder alte Strukturen zementiert.

Hat der Gemeinderat einen «Plan B» in der Schublade für den Fall, dass der Entscheid des Bezirksrats gegen die bestehende Struktur der «Maurmer Post» ausfällt? Also direkt gefragt: Kehren wir dann auf Feld 1 zurück und der Gemeinderat beantragt erneut die Privatisierung der «Maurmer Post»?
Der Plan B besteht in einem ersten Schritt darin, die Bevölkerung transparent über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu informieren. Sie bilden die Leitplanken für einen allfälligen neuen Antrag. Wie dieser aussehen würde, ist im Moment offen. Das Ziel des Gemeinderats ist und bleibt es, den Willen der Bevölkerung bestmöglich umzusetzen.

Wird die derzeit ihrer Pflichten entbundene Kommission «Maurmer Post» wieder eingesetzt, wenn der Entscheid des Bezirksrats positiv ausgefallen ist – kehren wir also zur Tagesordnung zurück, in der seit Januar 2024 die Kommission «Maurmer Post» die redaktionelle Hoheit über die MP haben soll?
Wenn man auf die letzten Wochen und Monate zurückblickt, kann es wohl keine Option sein, einfach so weiterzumachen wie zuvor. Der Gemeinderat geht davon aus, dass es Anpassungen an den heutigen Strukturen und/oder der personellen Besetzung braucht. Welche, ist Gegenstand der laufenden Abklärungen.

Aber müsste man nicht den Begriff «redaktionelle Hoheit» im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit zwischen Kommission und Redaktion der «Maurmer Post» ändern, weil er suggeriert, dass die Kommission für den Inhalt der «Maurmer Post» verantwortlich ist und über Erscheinen oder Nichterscheinen einzelner Beiträge, Leserbriefe, Inserate etc. entscheiden kann?
Der Begriff «redaktionelle Hoheit» bedeutet genau das: die Verantwortung über den Inhalt. Diese Verantwortung umfasst nicht bloss die letztgültige Entscheidung darüber, was in der «Maurmer Post» erscheint und was nicht. Sie umfasst ebenso die Aufsichtspflicht, also die Verantwortung dafür, dass die publizistischen Sorgfaltspflichten gemäss den Rechten und Pflichten der Journalistinnen und Journalisten eingehalten werden. Die «redaktionelle Hoheit » muss irgendwer innehaben. Die Redaktion selbst kommt dafür nicht in Frage, weil die redaktionellen Mitarbeitenden von der Gemeinde angestellt sind und es nicht sein kann, dass sich Angestellte einer öffentlichen Verwaltung selbst beaufsichtigen. Wenn der Gemeinderat diese Aufsicht übernimmt oder an eine von ihm gewählte Kommission überträgt, ist die Unabhängigkeit der Berichterstattung nicht mehr gegeben. In diesem Dilemma stecken wir. Der Antrag auf Privatisierung war aus Sicht des Gemeinderats ein gangbarer Weg, um sich aus dem Dilemma zu befreien.

Warum ist in der Arbeitsgruppe des Gemeinderats, die die aktuellen Strukturen und Prozesse bezüglich der «Maurmer Post» überprüft, kein Medienprofi? Wäre nicht der Einbezug von Redaktion und/oder Kommission der «Maurmer Post» zielführend?
Die Arbeitsgruppe stützt sich auf externe Fachberatung aus dem Rechts- und dem Medienbereich. Alle Beteiligten vertreten die klare Haltung, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen durch den Bezirksrat geklärt werden müssen. Nur so können künftige Strukturen auf ein solides Fundament gestellt werden.

Interview: Dörte Welti