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Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Der Fluglärm nimmt ab – nicht nur wegen Corona

TA 17.09.2020Studie zum Fluglärmindex

2030 werden weniger Menschen unter Fluglärm leiden als heute. So lautet der überraschende Schluss einer Studie. Der Regierungsrat will deshalb seine Politik nicht ändern. Er glaubt, dass ihm die Zeit in die Hände spielt.

Wachsende Bevölkerung, wachsender Flughafen: Diese beiden Entwicklungen vertrugen sich in den vergangenen Jahrzehnten bezüglich Lärmbelastung nicht besonders gut. Immer mehr Menschen beklagten sich, sie würden unter Fluglärm leiden. Die Politik schuf deshalb 2008 den Zürcher Fluglärmindex (ZFI). Er misst jährlich, wie viele Personen um den Flughafen stark durch Fluglärm belästigt sind oder gar um den Schlaf gebracht werden.

2018 waren dies rund 60’000 Personen. Zwar sank die Zahl verglichen mit dem Vorjahr leicht. Sie überstieg aber immer noch bei weitem den politisch festgelegten Richtwert von 47’000 Personen. Kein Wunder, wird deshalb immer wieder um den ZFI gerungen. Dabei geht es meist um die Frage, ob er die Realität richtig abbildet, so auch vor zwei Jahren im Kantonsrat. Dieser überwies dem Regierungsrat ein Postulat bürgerlicher Parlamentarier, die eine Neuausrichtung des ZFI anregten. Hintergrund war der Gedanke, dass der Flughafen moderat wachsen können soll, selbst wenn die Bevölkerung zunimmt und damit potenziell auch die Zahl jener Menschen, die unter Fluglärm leiden.

Der Regierungsrat hat eine Studie in Auftrag gegeben und kommt nun zum Schluss, dass es keine neue Ausrichtung des ZFI braucht. Er stützt sich dabei auf eine Einschätzung des Forschungsinstituts Empa. Dieses hat noch vor der Corona-Krise und dem damit verbundenen Rückgang des internationalen Flugverkehrs hochgerechnet, wie sich der ZFI bis 2030 entwickeln könnte.

Wie stark steigen die Flugbewegungen?

Der Befund: Die Bevölkerung wird zwar weiterhin wachsen, und auch die Zahl der Flugbewegungen wird zunehmen – der ZFI-Wert jedoch wird sinken, je nach Szenario zwischen 1 und 14 Prozent. Wie ist das möglich? Die Forscher führen dies auf zwei Trends zurück: Bessere Schallschutzmassnahmen sowie die Anschaffung moderner Flugzeuge, wie dies etwa die Swiss teilweise bereits getan hat, senken den Lärmpegel.

«Es ist wichtig, dass in technologischen Fortschritt und neue Flugzeugflotten investiert wird.»Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh

Deshalb steigt der Fluglärmindex selbst dann nicht, wenn die Bevölkerung im Kanton von 1,5 auf 1,7 Millionen wächst. Und auch dann nicht, wenn die Flugbewegungen von 280’000 im Jahr 2018 auf knapp 350’000 im Jahr 2030 steigen würden. Die Studie sagt somit eine komplett neue Entwicklung voraus. Bislang ging man nämlich davon aus, dass die Lärmbelastung linear mit dem Wachstum von Bevölkerung und Flughafen zunimmt.

Seit die Forscher die Studie durchgeführt haben, hat sich die Situation zudem verändert. Die Luftfahrt ist seit Beginn der Corona-Pandemie am Boden. Der Regierungsrat rechnet deshalb damit, dass die Zahl der Fluglärmgeplagten sogar stärker sinken könnte, als es die Studie prognostiziert. Die 70’000 Flugbewegungen, die sie zusätzlich einrechne, seien aufgrund der derzeitigen Krise wohl eher zu hoch gegriffen, glaubt der Regierungsrat. Er mutmasst sogar, dass der Richtwert von 47’000 lärmgeplagten Menschen bis 2030 unterschritten werden könnte. Die Studie ging noch ohne Berücksichtigung der Corona-Krise davon aus, dass dies mit einem Wert von 50’000 knapp nicht gelingen werde.

Airlines sollen jetzt nicht sparen

Aufgrund der Prognosen und der gegenwärtigen Lage will der Regierungsrat den ZFI nicht anpassen. Braucht es somit auch keine Massnahmen mehr für einen stärkeren Lärmschutz? Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP) sagt auf Anfrage, man müsse den bisher beschrittenen Weg zur Minderung der Lärmbelastung weitergehen. «Es ist vor allem wichtig, dass weiterhin in technologischen Fortschritt und in neue Flugzeugflotten investiert wird. Das ist der Schlüssel.»

In seinem Beschluss wird der Regierungsrat sogar noch deutlicher: Er erwarte «von den am Flughafen Zürich beheimateten Fluggesellschaften und insbesondere von der Swiss, dass die bereits beschlossenen Flottenerneuerungen trotz der Corona-Pandemie umgesetzt werden», heisst es darin.

400 Millionen für Lärmschutz

Ebenso wichtig seien Schallschutzmassnahmen an privaten Liegenschaften, die von Fluglärm betroffen sind, sagt Carmen Walker Späh weiter. Der Flughafen Zürich investiere hierfür 400 Millionen Franken. Zudem verweist die Regierungsrätin auf die neuen Lärmgebühren für die Fluggesellschaften, die der Bund beschlossen hat. All diese Massnahmen zusammen seien ein wirksames Paket.

Zusätzliche Massnahmen sind derzeit nicht vorgesehen. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Flugbewegungen aufgrund der Corona-Pandemie noch immer stark eingeschränkt sind. «Die Luftfahrt ist in der grössten Krise, die sie je erlebt hat», sagt Carmen Walker Späh. Der Flughafen rechne frühestens 2023 mit der Rückkehr zum Vorkrisenniveau. Mindestens bis dann bleibe auch die Lärmbelastung deutlich tiefer als in früheren Jahren.

Die Regierungsrätin führt damit ein Argument ins Feld, das Kritiker in den letzten Monaten wiederholt zurückgewiesen haben. Wie sehr sich die Corona-Krise langfristig auf den Flugverkehr auswirke, könne im Moment niemand wissen, sagen sie.

Kommentar

Die betroffenen Leute sollen sich gefälligst das ganze Jahr hindurch einschliessen, dann haben sie dank besserem Schallschutz und moderner Flugzeugflotte, gemäss ZFI keinen Fluglärm. So zumindest die Argumentation des Zürcher Regierungsrats. Damit wischt er aber die damit verlorengegangene Lebensqualität einfach unter den Tisch. Mit dem Verzicht neuer Flugrouten über den dicht besiedelten Süden und der Wiederherstellung der Nordausrichtung, wäre das Fluglärmproblem, inklusive der Einhaltung des ZFI-Werts von 47’000 lärmgeplagten Menschen automatisch gelöst.