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Der neue Zürcher Klimadeal steht – und kommt wohl vors Volk

TA 29.03.2021

Der Zwang zum Ersatz von Ölheizungen wurde gemildert. Dafür sind FDP und Mitte jetzt an Bord der Klimaallianz. Gleichwohl plant der HEV ein Referendum.

Jetzt nicht den Änderungen zuzustimmen, könnte zu einem Scheitern vor dem Volk führen: Was EVP-Mann Daniel Sommer im Kantonsrat sagte, war gewissermassen die Leitlinie der Sitzung vom Montag. Das Kantonsparlament hat den Klimadeal von Baudirektor Martin Neukom (Grüne) in letzter Minute erneuert. Oder anders ausgedrückt: entschärft.

Vorbereitet worden war der neue Kompromiss kurz vor der zweiten Lesung des Energiegesetzes, dem wohl wichtigsten Geschäft dieser Legislatur. Die Klimaallianz, bestehend aus SP, GLP, Grünen, EVP und AL, hat sich mit der FDP und der seit Samstag Mitte benannten CVP auf ein paar Änderungen des eigentlich schon durchberatenen Gesetzes geeinigt. Dabei ging es um die sogenannten Lebenszykluskosten der Heizanlagen, den Gas-Mix und die Härtefälle. Hintergrund des Manövers ist die Befürchtung, das Volk könnte bei einem Referendum wie in anderen Kantonen Nein sagen.

Das sind die wichtigsten Punkte der Vorlage:

  • Möglichst viele der 120’000 Öl- und Gasheizungen, die heute noch im Kanton Zürich existieren, sollen bis 2040 durch Heizsysteme ersetzt werden, die keine fossilen Brennstoffe benötigen. Im Fokus stehen Wärmepumpen. In neuen Häusern sind Ölheizungen tabu.
  • Die Elektrizität für die Wärmepumpen oder Erdsonden soll möglichst vor Ort erzeugt werden, etwa mit Fotovoltaikanlagen auf den Dächern. Auch Energieverbunde sind möglich.
  • Bestehende Ölheizungen müssen nach Ablauf ihrer Lebensdauer zwingend durch Systeme mit erneuerbaren Energieträgern ersetzt werden, wenn die neuen Systeme über die ganze Nutzungsdauer nicht mehr als 5 Prozent teurer sind. Diese Lebenszykluskosten wurden nun präzisiert: Darunter versteht man nicht nur den Preis für die neue Anlage und die Kosten für den Betrieb, also Öl oder Elektrizität, sondern auch zusätzliche Investitionen wie die Dämmung des Dachs oder der Fassade. Die Berechnung am Beispiel eines Hauses aus den 1970er-Jahren lesen Sie hier.
  • Der Einbau neuer Gasheizungen ist möglich, wenn mindestens 80 Prozent des Gases aus (erneuerbarem) Biogas besteht. Und wenn der Gasanbieter dies nicht gewährleisten kann, muss die Differenz zu den 80 Prozent mittels Zertifikaten ausgeglichen werden. Die ursprüngliche Version des Gesetzes verlangte 100 Prozent.
  • Wer sich den Austausch der Heizzentrale absolut nicht leisten kann, gilt als Härtefall. Ein Austausch wird aufgeschoben bis maximal drei Jahre nach der nächsten Handänderung. Die drei Jahre sind ebenfalls das Resultat des Last-Minute-Kompromisses. Wer als Härtefall gilt, wird in einer Verordnung geregelt.
  • Ist eine standardmässige Ersatzlösung «technisch nicht möglich, wirtschaftlich nicht zumutbar oder in Anbetracht der Gesamtumstände unverhältnismässig», können die Behörden Ausnahmen gewähren.
  • Elektroheizungen und elektrische Boiler sind ab 2030 verboten – ebenfalls mit Ausnahmen.
  • Der Umbau von fossilen zu grünen Heizungen sowie Massnahmen zur Wärmedämmung werden staatlich unterstützt. Am Montag hat der Kantonsrat den Kredit für die Jahre 2020 bis 2023 um 14 Millionen auf 47,2 Millionen Franken erhöht – falls das neue Gesetz am 1. Januar 2022 in Kraft tritt. Geschieht dies erst ein Jahr später, erhöht sich der Kredit um 7 auf 40,2 Millionen.

«Jetzt ist es ein echter Klimadeal.»Beatrix Frey-Eigenmann (FDP)

In der Debatte zeigten sich die meisten erleichtert, dass ein so breit abgestützter Kompromiss gefunden wurde. FDP-Fraktionschefin Beatrix Frey-Eigenmann ist «froh», dass sich die Klimaallianz bewegt hat, «obwohl diese mächtig unter Druck der Klimaaktivisten steht». Aufgrund der Neudefinition der Lebenszykluskosten und der sozialverträglicheren Lösung für Härtefälle könne der Freisinn Ja sagen zum Gesetz. «Jetzt ist es ein echter Klimadeal.» Ähnlich äusserte sich Mitte-Fraktionspräsidentin Yvonne Bürgin. Ihr sei vor allem der neue Gas-Deal am Herzen gelegen.

Hoch umstritten: Der Gas-Kompromiss

Grüne und Grünliberale deuteten an, dass sie über ihren Schatten springen mussten. Just die neue Gas-Klausel verursachte Bauchschmerzen – für die AL unerträgliche: Sie scherte beim Gas-Kompromiss aus, was aber keine Auswirkung aufs Gesamtresultat hatte. GLP-Vertreterin Franziska Barmettler meinte: «Wir denken ganzheitlich.» Und Grünen-Fraktionspräsident Thomas Forrer bilanzierte: «Das Ziel, die Gebäude bis 2040 grösstenteils zu dekarbonisieren, bleibt erreichbar.» Markus Bärtschiger (SP) lobte die nun «klaren Guidelines» für die Hauseigentümer.

Nach wie vor nicht zufrieden ist die SVP. Sie wollte den «Killer-Paragrafen» mit der 5-Prozent-Regel streichen, den Christian Lucek als überflüssigen «Zurich Finish» bezeichnete. Jetzt sei das Gesetz zu kompliziert und schüre Unsicherheit bei den Hausbesitzern. «So wird ein Referendum unumgänglich», sagte er.

SVP warnt vor höheren Mieten

Gewohnt polternd sprach Hans-Peter Amrein (SVP) von Klimadiktatur und milliardenschwerer Umverteilung, während Valentin Landmann (SVP) vor «gewaltigen Mietzinserhöhungen» warnte – ein Argument, das Thomas Forrer mit einer Rechnung konterte: Bei einer Wohnung, die monatlich 2000 Franken koste, steige der Mietzins maximal um 12 Franken, sagte er. Das sind die 5 Prozent, die im Gesetz enthalten sind. «In der Regel wird es weniger sein.»

«Ich würde mich sogar freuen, wenn es ein Referendum gibt.» Martin Neukom (Grüne), Baudirektor

Gespannt war man auf die Reaktion von Baudirektor Martin Neukom (Grüne), an dessen Vorlage der Kantonsrat nun herumgebastelt hat. «Ich begrüsse die Einigung ausserordentlich», sagte er und lobte die breite Abstützung des Kompromisses.

So werde die Klimawende wirtschaftlich tragbar und wirke innovationsfördernd. Neukom sprach von Impulsen für die Wirtschaft. Er glaubt, dass die Zürcher Bevölkerung bereit ist für diesen Beitrag an den Klimaschutz. So gesehen «würde ich mich sogar freuen, wenn es ein Referendum gibt», sagte er.

HEV: Rote Linie überschritten

Diese Freude wird ihm der Hauseigentümerverband (HEV) wohl bereiten. Wie Direktor Albert Leiser auf Anfrage sagt, besteht die rote Linie aus dem Zwangsparagrafen mit der 5-Prozent-Regel. Bleibt der Paragraf im Gesetz – und danach sieht es nun aus –, bringt der HEV den Klimadeal an die Urne.

Am 12. April ist die Schlussabstimmung im Kantonsrat, am 14. April findet die entscheidende HEV-Sitzung statt. Unterstützung erhält der HEV von der SVP, wie Energiepolitiker Christian Lucek bestätigt.