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Keine Südstarts geradeaus

Die Klimawirkung von Kondensstreifen könnte sich bis 2050 verdreifachen

NZZ 29.6.2019

Der Beitrag des Flugverkehrs zur Erwärmung der Atmosphäre ist gering, aber er nimmt zu. Technische Fortschritte reichen bis jetzt nicht aus, um diese Entwicklung zu stoppen.

An manchen Tagen sind es nur einzelne Kreidestriche. An anderen bedeckt ein unordentlicher Teppich aus weissen Bahnen den hiesigen Himmel. Die Kondensstreifen, die von Flugzeugabgasen hervorgerufen werden, sind aus der Atmosphäre nicht mehr wegzudenken. Auch aus der Diskussion über den Klimawandel nicht.

Der Flugverkehr trägt gegenwärtig fünf Prozent zur vom Menschen verursachten globalen Erwärmung bei. Oft ist von den CO2-Emissionen der Antriebe die Rede, dabei geht von ihnen gar nicht der stärkste klimatische Effekt aus. Es sind vor allem die Kondensstreifen, die bewirken, dass Flugzeuge die Temperatur auf der Erde steigen lassen.

Im Grossen und Ganzen kühlen Wolken die Atmosphäre, vor allem weil sie an ihrer Oberseite Sonnenlicht reflektieren und daher einen Schatten werfen. Bei den Kondensstreifen macht ein anderer Effekt diese Kühlung aber mehr als wett: An der Unterseite absorbieren die Wolkentröpfchen einen Teil der von der Erde kommenden Wärmestrahlung (Infrarotstrahlung) und senden sie wieder zurück. Das heizt tiefere Luftschichten auf – wenn auch nur geringfügig.

Laut einer neuen Untersuchung könnte sich der Erwärmungseffekt der Kondensstreifen bis 2050 im Vergleich zum Jahr 2006 verdreifachen und im globalen Durchschnitt nahezu 0,2 Watt pro Quadratmeter erreichen. Das berichten Lisa Bock und Ulrike Burkhardt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen jetzt in der Fachzeitschrift «Atmospheric Chemistry and Physics». Die beiden Forscherinnen haben mit einem Computermodell für Klimasimulationen berechnet, wie sich die Zunahme des Flugverkehrs auf die Atmosphäre auswirkt.

Wachsender Klimaeffekt

Bock und Burkhardt gehen davon aus, dass sich die Zahl der Flugzeuge in der Luft bis 2050 vervierfacht. Ein Wachstum in dieser Grössenordnung wird von Fachleuten derzeit allgemein erwartet. Den Löwenanteil machen demnach auch in Zukunft Flüge über Europa und den USA aus, selbst wenn der asiatische Raum allmählich aufholt.

Der dominante Klimaeffekt des Flugverkehrs bleibt laut der Studie die Erwärmung durch die Kondensstreifen. Der Vorsprung gegenüber dem CO2-Effekt wächst sogar noch. Das liegt unter anderem daran, dass die Flugzeugturbinen mit der Zeit immer effizienter werden und somit weniger Treibstoff verbrauchen und weniger CO2 ausstossen.

Die Resultate der Studie ergäben Sinn, meint Andrew Gettelman vom National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado, der nicht an der Studie beteiligt war. Er merkt allerdings an, dass die Ungewissheit bei dieser Art von Berechnungen noch recht gross sei, vor allem weil die Kondensstreifen so schmal seien und sich ihre Wirkung rechnerisch schwer erfassen lasse. Burkhardt äussert sich ähnlich. Sie weist ausserdem darauf hin, dass indirekte Effekte der Flugzeugabgase auf die umgebenden Wolken noch unzureichend verstanden seien.

Andere Treibstoffe, weniger Russ

Ab dem kommenden Jahr soll eine internationale Vereinbarung garantieren, dass die CO2-Emissionen des Flugverkehrs partiell kompensiert werden: Corsia ist ein Vorhaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation Icao und steht für Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation. Von 2021 an müssen Luftfahrtunternehmen, die eine bestimmte Menge an CO2-Emissionen überschreiten, einen Teil der Emissionen über eine Art Zertifikatehandel ausgleichen. Corsia berücksichtigt allerdings nicht die erwärmende Wirkung der Kondensstreifen, die laut der neuen Studie so stark wächst.

Es gibt noch weitere Ansätze, um die Auswirkung des Luftverkehrs auf das Klima zu reduzieren. Neue Treibstoffe, zum Beispiel aus Biomasse, könnten die Freisetzung von CO2 verringern, sind aber noch nicht marktreif. Manche Fachleute erwägen auch, die Flugzeuge andere Routen fliegen zu lassen, um die Entstehung von Kondensstreifen zu vermeiden. Davon raten Bock und Burkhardt allerdings ab, denn so entstünden zusätzliche CO2-Emissionen. Sie halten es für günstiger, die Russemissionen der Flugzeuge zu reduzieren, die zur Bildung der Kondensstreifen beitragen.

Die Studie ist am 27. Juni 2019 in der Online-Ausgabe des Fachjournals «Atmospheric Chemistry and Physics» erschienen.