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Zürich - Schweiz

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Keine Südstarts geradeaus

Die Rolle des EuGH unter dem Rahmenabkommen – eine Verbesserung für die Luftfahrt

NZZ 28.02.2024 – Gastkommentar

Der bilaterale Weg mit der EU hat natürlich seinen Preis. Eine Einigung mit der EU könnte aber die Situation der Schweiz in verschiedenen Bereichen massgeblich verbessern, gerade auch in der Luftfahrt. Eine Replik.

Regula Dettling-Ott

Bei Fluglärmstreit mit Deutschland entschiede der EuGH 2003 gegen die Interessen der Schweiz.

Carl Baudenbacher argumentiert in einem Gastbeitrag, der Streit zwischen Deutschland und der Schweiz um die Anflugverfahren beim Flughafen Zürich zeige, dass das Rahmenabkommen mit der Zuständigkeit des EuGH für die Schweiz Nachteile bringen würde (NZZ 19. 2. 24).

Die Auseinandersetzung zwischen der Schweiz und Deutschland begann 2003, ein Jahr nachdem das bilaterale Luftverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und der EU in Kraft getreten war. Strittig war, ob die Einschränkungen, welche Deutschland für Überflüge über sein Hoheitsgebiet erlassen hatte, mit europäischem Recht vereinbar seien. Der EuGH lehnte die Klage der Schweiz ab mit der Begründung, Deutschland habe nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstossen und kein europäisches Recht verletzt.

Stellung der Schweiz gestärkt

Kann man daraus schliessen, das zur Diskussion stehende Rahmenabkommen sei abzulehnen? Nein, im Gegenteil: Hätte damals das Rahmenabkommen gegolten, hätte der EuGH nicht allein entschieden. Die Schweiz hätte die Einberufung des Schiedsgerichts verlangen können. Jede Partei hätte Richter und Richterinnen ernannt. Dieses Schiedsgericht hätte geprüft, ob Deutschland mit den Einschränkungen das Luftverkehrsabkommen verletzte.

Der EuGH wäre als zusätzliche Instanz nur dafür zuständig gewesen, zu beurteilen, welche Ansprüche gemäss der anwendbaren EU-Verordnung bestehen. Wie das Schiedsgericht im Fluglärmstreit entschieden hätte, wissen wir nicht. Möglicherweise hätte auch das Schiedsgericht die deutschen Massnahmen als nicht diskriminierend betrachtet. So oder so zeigt dieses Beispiel, dass das Rahmenabkommen bei einem Streit mit der EU oder einem EU-Mitgliedstaat der Schweiz eine zusätzliche erste Instanz zur Verfügung stellt, in der sie paritätisch vertreten ist. Das Rahmenabkommen stärkt also bei einer rechtlichen Auseinandersetzung die Stellung der Schweiz.

Carl Baudenbacher macht weiter geltend, der Entscheid im Fluglärmstreit zeige, dass der EuGH aus politischen Gründen gegen die Schweiz entschieden habe und das auch in Zukunft tun würde. Auch dieses Argument überzeugt nicht. Deutschland hat andere Flughäfen in Grenznähe. Der Flughafen Salzburg wird hauptsächlich über deutsches Gebiet angeflogen. Österreich und Deutschland einigten sich 2013 nach erbitterten Diskussionen auf eine Lösung. Für Österreich war nicht zuletzt das Verfahren über die Anflüge auf den Flughafen Zürich massgebend, die Verhandlungslösung zu akzeptieren, denn es gab im Urteil zu den Anflugbeschränkungen beim Flughafen Zürich keine Hinweise darauf, dass der EuGH die anwendbare europäische Verordnung in einem Streit zwischen zwei Mitgliedstaaten anders auslegen würde.

Das Beispiel Grossbritannien

Last, but not least: Carl Baudenbacher scheint anzunehmen, der Status quo sei die Alternative zum Rahmenabkommen. Das ist nicht der Fall. Scheitert das Rahmenabkommen, wird die EU das Verhältnis zur Schweiz ihrerseits neu definieren. Richtschnur dürften die Beziehungen zu anderen Drittstaaten sein, insbesondere zum Vereinigten Königreich. Nach dem Brexit schränkte die EU den Marktzugang auch in der Luftfahrt ein. Das Vereinigte Königreich wurde sogar aus der European Aviation Safety Agency (Easa) ausgeschlossen. Erhielt es im Gegenzug mehr gesetzgeberische Freiheit? Kaum. Das Vereinigte Königreich erlässt das europäische Luftrecht nun als nationales Recht, materiell sind bis jetzt wenige Unterschiede auszumachen.

Es liegt auf der Hand, dass mit dem Rahmenabkommen Vor- und Nachteile verbunden sind. Der bilaterale Weg hat seinen Preis. Das Rahmenabkommen verbessert jedoch gerade in der Luftfahrt die Stellung der Schweiz.

Regula Dettling-Ott ist Rechtsanwältin sowie Professorin für Luftrecht an der Universität Bern. Von 2017 bis 2023 leitete sie ein Expertengremium der EU im Rahmen des Single European Sky (Performance Review Body of the Single European Sky).