Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Die Zahl der Fluglärmbetroffenen steigt – darüber wird seit Jahren lamentiert, aber Konsequenzen gibt es keine

 

Der Zürcher Fluglärmindex soll dokumentieren, dass nicht mehr als 47 000 Personen betroffen sind. Das Ziel wird jedes Jahr verfehlt. Ein glaubwürdiger Index sieht anders aus.

Das Wesen des Zürcher Fluglärmindexes (ZFI) ist eigentümlich. Müsste man ihn sich in Menschengestalt denken, er wäre eine unglückliche Figur, ein wenig verloren zwischen all den Verordnungen und Gesetzen, durch die der Staat in der Regel sein Handeln definiert. Sie sind in der Regel einigermassen widerspruchsfrei, abgeschliffen durch einen langwierigen Gesetzgebungsprozess. Sie sind einzuhalten, und das gebiert Respekt. Das gilt nicht für den ZFI. In einem Theaterstück wäre er eine Figur voller Widersprüche und quälender Selbstzweifel, die sich ständig Ärger einhandelte. Dies liegt einmal daran, dass der ZFI lediglich ein Monitoringinstrument ist. Er misst die Zahl der Fluglärmbetroffenen, die 47 000 Personen nicht übersteigen dürfte. Doch Jahr für Jahr wird dieses Ziel verfehlt. Darüber wird lamentiert, aber Konsequenzen zeitigt die Überschreitung nicht.

Aufwertung trotz Fluglärm

Widersprüche zeigen sich auch in der Gemeinde Höri. Die kleine Flughafengemeinde möchte ihren grössten Ortsteil aufwerten. Dieser ist schlecht durchmischt und belastet die Gemeinde finanziell. Man kann es dem Gemeinderat nicht verdenken, dass er zusätzliche, bessere Steuerzahler anziehen möchte. Und es ist ein hehres Ziel, darüber nachzudenken, wie sich Flughafengemeinden trotz Fluglärm entwickeln können, zumal die Vorgaben des Lärmschutzes gegeben sind.

Gerade deshalb unterstützt die kantonale Raumplanung das Vorgehen der Gemeinde. Doch wenn fünf Kilometer von der Rollbahn des Zürcher Flughafens entfernt moderne Wohnungen entstehen, läuft dies den Interessen desselben Kantons entgegen, der sich der Begrenzung der Fluglärmbetroffenen auf 47 000 Personen verschrieben hat. Der Schuldige für den Widerspruch ist auch in diesem Fall schnell ausgemacht: Es ist der ZFI.

Es wächst die Zahl der Betroffenen

Was in Höri passiert, ist exemplarisch. Die Regierung möchte das Wachstum in den urbanen Zentren fördern. Die Flughafenregion gehört dazu; es handelt sich gar um das am schnellsten wachsende Gebiet im ganzen Kanton. Die Folge sind naturgemäss mehr Fluglärmbetroffene – trotz dem technologischen Fortschritt hin zu leiseren Flugzeugen. Das Bevölkerungswachstum gilt somit als der eine Grund dafür, dass die Indexvorgaben immer wieder überschritten werden. Der andere Grund sind Flüge nach 22 Uhr, die im Index überproportional gewichtet werden. Gerade solch späte Abflüge hat das Bundesamt für Zivilluftfahrt in seinem neuen Betriebsreglement für den Zürcher Flughafen über dem Ortsteil vorgesehen, den Höri entwickeln will. Das nächste Paradoxon, das der ZFI bereithält.

Der ZFI entstand als Gegenvorschlag des Regierungsrats zu einer Initiative, die die Flugbewegungen drastisch beschränken wollte. Über demokratische Legitimation verfügt er also. Darauf pochen denn auch jene, die die Interessen der Fluglärmbetroffenen vertreten. Sie tun das mit gewissem Recht. Doch ein kategorisches Verbot, am ZFI Anpassungen vorzunehmen, darf der damalige Volksentscheid nicht sein.

Eine politische Diskussion ist nötig

Ein glaubwürdiger Index muss so beschaffen sein, dass das politisch gewollte Wachstum rund um den Flughafen nicht den Eindruck vermittelt, die Fluglärmsituation habe sich dramatisch verschlechtert. Er muss aber selbstredend nach wie vor Dinge einfordern. Dass Flüge spätnachts stark gewichtet werden, ist richtig – wobei sich die Frage stellt, ob die heutige ZFI-Schwelle von 22 Uhr nicht zu tief angesetzt ist. Es sind Fragen, die einer politischen Diskussion bedürfen. Deshalb ist es gut, dass ein entsprechender Vorstoss demnächst in den Kantonsrat kommt.

Staatliches Handeln ist im Idealfall widerspruchsfrei, konsequent und nachvollziehbar. Der ZFI entspricht keinem dieser Kriterien. Ein hoffnungsloser Fall ist er deshalb noch nicht, aber zumindest ein eindeutiger Kandidat für eine tiefschürfende Persönlichkeitsanalyse.