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Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Ein Rekordsommer für die Swiss – doch bei der Pünktlichkeit ist sie nicht premium

NZZ 02.11.2023

Die Swiss hat diesen Sommer so viel verdient wie noch nie in ihrer zwanzigjährigen Geschichte. Allerdings hatten die Passagiere mit vielen Verspätungen oft kein Premium-Erlebnis. Das will der Swiss-Chef Vranckx ändern.

Lieber in die Ferien fliegen als ein neues Auto kaufen: Die aufgestaute Reiselust nach der Corona-Pandemie bringt der Swiss ein Jahr der Superlative. Die Fluggesellschaft reiht Rekordquartal an Rekordquartal – zwar noch nicht, was die Zahl der Passagiere anbelangt, aber beim Gewinn. Sie schreibt in den ersten neun Monaten bei einem Umsatz von 4 Milliarden Franken einen Betriebsgewinn von 616 Millionen. Weit weg scheint da die Corona-Zeit, als sie auf staatliche Kreditgarantien angewiesen war, um zu überleben. Dieses Kapitel hat sie im Juni 2022 beendet.

Die Rekordzahlen sind zum Teil ebenfalls eine Folge der Corona-Zeit: Die Airlines hatten nicht damit gerechnet, dass die Nachfrage so rasch zurückkommen würde. Sie haben im Nachhinein gesehen zu viel Kabinenpersonal entlassen, das mühsam wieder rekrutiert werden musste. Jeden Monat stellt die Swiss etwa hundert Personen an.

Das deshalb immer noch beschränkte Angebot – die Swiss hat im dritten Quartal 2023 89 Prozent der Kapazitäten von 2019 bereitgestellt – traf somit auf eine ungestüme Nachfrage. Entsprechend teuer konnte die Swiss die Sitzplätze verkaufen. Die Auslastung war hoch: Im Durchschnitt waren von Januar bis September auf jedem Swiss-Flug 85 von 100 Plätzen besetzt.

Wo die Swiss nicht premium ist

Verspätungen in % der Flüge (ab 30 Minuten am Zielort; Jan. bis Okt. 2023)

Quelle: Flightright

NZZ / cei.

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Die Swiss hat im Sommerquartal besonderes Gewicht darauf gelegt, dass auch möglichst alle Flüge durchgeführt wurden. Im Sommer 2022 war es nicht in Zürich, aber an diversen anderen europäischen Flughäfen zu chaotischen Szenen gekommen, weil das Zusammenspiel von Airlines, Bodenabfertigern und Flughäfen nicht reibungslos lief und Personalnöte zu Engpässen führten. In dieser Sommersaison konnte die Swiss nun 99 Prozent der Flüge durchführen.

Die Pünktlichkeit der Swiss leidet unter der Stabilität

Übers bisherige Jahr gesehen macht die Swiss hier auch im Vergleich mit anderen Airlines mit 0,9 Prozent Stornierungen eine gute Falle. Die Air France, die Lufthansa und die KLM kommen laut der Firma Flightright auf 1,5 bis 1,85 Prozent Ausfälle, die British Airways sogar auf 3,3 Prozent.

Allerdings ging die grössere Stabilität bei der Swiss zuweilen auf Kosten der Pünktlichkeit. Man führte also auch verspätete Flüge durch, statt sie zu streichen. Gemäss der zuvor genannten Datenquelle hatten deshalb 16 Prozent der Swiss-Flüge eine Verspätung bei der Ankunft von mehr als einer halben Stunde. Mit dieser Zahl liegt die Airline in einer unrühmlichen Spitzengruppe. Bedeutend schlimmer ist es noch bei Easy Jet, die stark auf den Flughafen London-Gatwick angewiesen ist. Dort seien die Verhältnisse inakzeptabel, hat der Easy-Jet-Chef Johan Lundgren jüngst der NZZ gesagt.

Bei der Pünktlichkeit ist die Swiss somit alles andere als premium. Das weiss auch der Firmenchef Dieter Vranckx. «In den nächsten zwölf bis achtzehn Monaten wird die Verbesserung der Pünktlichkeit unser wichtigstes Thema sein», sagte Vranckx kürzlich in der «NZZ am Sonntag». Das Ziel der Airline lautet, den Anteil verspäteter Flüge unter 12 Prozent zu senken. Damit wäre sie europäisch im guten Mittelfeld. Ein Problem ist der von Wind und Wetter stark abhängige Flughafen Zürich, weshalb man zwar eine Verbesserung, wohl aber keine Wunder erwarten darf.

Die Nachfrage dürfte bald wieder sinken

Als Passagier interessiert, ob es mit der Hausse der Billettpreise so weitergeht wie seit dem Ende der Pandemie. Die Swiss will ihre Kapazitäten 2024 nochmals um 10 Prozent erhöhen, womit man ungefähr wieder auf dem Niveau von vor Corona sein wird. Im Frachtgeschäft ist die Nachfrage laut Mitteilung bereits stark rückläufig. Dieses gilt als vorauseilender Indikator auch für das Passagiervolumen. In zwölf bis achtzehn Monaten werde dort die Nachfrage ebenfalls unter Druck geraten, sagte Vranckx im Interview voraus. Damit sollten sich die Ticketpreise normalisieren.

Im laufenden Jahr wird die Swiss voraussichtlich den höchsten Gewinn in ihrer zwanzigjährigen Geschichte einfliegen. Auch die Swiss-Mutter Lufthansa hat ein Rekordquartal hinter sich. Als Steuerzahler muss man darauf vertrauen, dass der Konzern die guten Zeiten auch nutzt, um sein Liquiditätspolster weiter zu stärken, damit bei einer nächsten Krise nicht erneut der Staat um Hilfe angegangen werden muss.