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Zürich - Schweiz

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Flughafendebatte ufert aus – Pistenentscheid wird vertagt

TA 19.06.2023 – Redeschwall im Zürcher Kantonsrat

Das Mitteilungsbedürfnis zu den geplanten Pistenverlängerungen war im Kantonsparlament immens. Die Folge: Ein Entscheid wird erst nach den Sommerferien fallen.

Nicht weniger als 28 Rednerinnen und Redner haben sich am Montag im Kantonsrat zur Frage geäussert, ob zwei Flughafenpisten verlängert werden sollen. Am Ende, nach drei Sitzungsstunden, figurierten noch 15 weitere Votantinnen und Votanten auf der Rednerliste – notabene obwohl die Liste anderthalb Stunden zuvor per Ordnungsantrag geschlossen worden war. Und obwohl es noch nicht um die Kernfrage gegangen war, sondern – zumindest formal – um zwei Minderheitsanträge.

Kurzum: Der lange erwartete Pistenentscheid ist vertagt. Er wird erst an der Doppelsitzung am 28. August fallen, übrigens vier Tage vor dem grossen Flughafenfest zum 75-Jahr-Jubiläum. Ein früherer Termin war nicht möglich, weil in den nächsten Sitzungen Geschäfte und Wahlen terminiert sind, welche an Fristen und Präsenzen gebunden sind. 

«Trockenes Bauvorhaben»

Was sich in der Debatte zuvor klar herausgeschält hatte: Die grosse Frage in dieser Flughafendiskussion dreht sich um das Thema Vertrauen. Wer wie SVP-Kantonsrat Ueli Bamert dem Flughafen glaubt, dass dieser die Westpiste 28 und die Nordpiste 32 nur deshalb verlängern will, um mehr Verlässlichkeit und Pünktlichkeit zu erreichen sowie die Anzahl Lärmbetroffener am späteren Abend zu reduzieren, wird für die Pistenausbauten stimmen. Bamert nannte die geplanten Verlängerungen ein «trockenes Bauvorhaben».

Barbara Franzen (FDP) drückte ihr Vertrauen so aus: «Wir stehen ohne Wenn und Aber hinter dem Flughafen.» Flughafen-Verwaltungsratspräsident Josef Felder, der die Debatte auf der Tribüne verfolgte, dürfte es gerne gehört haben. Und auch dies: Der links-grüne Stadtrat von Zürich spreche sich aus pragmatischen Gründen für die Pistenverlängerungen aus, verkündete Beat Habegger (FDP).

Ruth Ackermann setzte einen anderen Fokus und meinte namens der Mitte: «Sicherheit zuerst.» Mit verlängerten Pisten werde der Nachteil ausgeglichen, dass sich zwei Pisten kreuzten. Das war auch der Argumentationsstrang von Daniel Sommer (EVP): Eine Zustimmung zu den Pistenausbauten sei eine «Form der politischen Vernunft – kein Herzensentscheid».

«Klimaschädlichstes Businessmodell der Schweiz»

Die andere Ratsseite hatte eine entgegengesetzte Rhetorik. Felix Hoesch (SP) nannte die anvisierten Pistenverlängerungen «in Beton gegossenes Potenzial für mehr Flüge und mehr CO₂-Ausstoss». Parteikollege Markus Bärtschiger fügte die Vermutung hinzu, der Flughafen würde nicht 250 Millionen Franken investieren, wenn er nicht mehr zahlende Passagiere und damit mehr Flüge anstrebte.

Der Grüne Florian Meier sagte, der Flughafen habe schlicht das «klimaschädlichste Businessmodell der Schweiz». Und gemäss Anne-Claude Hensch (AL) hat der Flughafen – und damit zurück zur Vertrauensfrage – spätestens seit der Parteispendenaffäre ein Glaubwürdigkeitsproblem. Zur Erinnerung: Der Flughafen überwies Parteien Geld – flughafenfreundliche Politik vorausgesetzt.

Franziska Barmettler (GLP) sagte, die Grünliberalen seien nicht per se gegen die Pistenverlängerungen. Sie  forderte aber verbindliche Zusagen, dass am späten Abend weniger geflogen wird.

GLP stellt Bedingungen

Zuvor hatten die SP und die GLP ihre beiden Minderheitsanträge vorgestellt, welche das Pistengeschäft mit Aufträgen an den Regierungsrat zurückschicken sollten. Die SP will, dass zuerst eine unabhängige Beurteilung eines Gerichtsentscheids erstellt wird und die Auswirkungen des Pistensystems auf den Nachtverkehr beleuchtet werden.

Die GLP fordert unter anderem flankierende Massnahmen: Zwischen 22 und 23 Uhr sollte die Zahl der Flugbewegungen auf 5000 pro Jahr plafoniert werden, also auf rund 13 Flüge in der Abendrandstunde. Zudem soll zwischen 23 und 6 Uhr absolute Ruhe herrschen, so die Forderung. Der viel genutzte Verspätungsabbau zwischen 23 und 23.30 Uhr sollte also unterbunden werden. Die beiden Anträge dürften es aber schwer haben.

Befürworter leicht im Vorteil

Der Hauptantrag lautet, dass die dreiköpfige Kantonsvertretung im Flughafen-Verwaltungsrat (FDP-Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh, Ex-FDP-Kantonsrätin Beatrix Frey-Eigenmann und der Immobilienspezialist Vincent Albers) ermächtigt wird, dem Pistenvorhaben des Flughafens zuzustimmen. Der Kanton hat als Hauptaktionär gemäss Gesetz ein Vetorecht betreffend Änderungen an der Lage und der Länge der Flughafenpisten.

Welches Lager im August obsiegen wird, ist noch unklar. Bei Vollpräsenz stellen die befürwortenden Parteien eine Mehrheit von 97 von 180 Stimmen. Doch mindestens acht Bürgerliche werden abweichen, wie Recherchen dieser Zeitung ergaben. Auf der Gegenseite ist eine Abweichung bekannt. Die Spannung dürfte die Sommerferien also überstehen.

Auf ein Flughafenfeeling musste die SVP im Übrigen trotz Vertagung des Geschäfts nicht verzichten, verbrachte sie doch ihren jährlichen Fraktionsausflug im Circle Park beim Airport. Fraktionschef Martin Hübscher versicherte auf Anfrage, dass die Partei den Imbiss selber bezahlt. Der Ausflug sei von langer Hand von der SVP des Bezirks Bülach organisiert worden, die turnusmässig an der Reihe war.