Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Junge reisen am wenigsten klimafreundlich

TA 21.07.2019

Greta-Effekt? Mitnichten. Die Jugendlichen lassen sich trotz Klimastreiks kaum von Flugreisen abhalten – anders sieht es bei den über 45-Jährigen aus.

2019 ist das Jahr, in dem junge Menschen nicht Open Airs, sondern Klimafestivals besuchen, in dem Schüler fürs Klima die Schule schwänzen, Eltern sich am Familientisch rechtfertigen müssen, warum sie Fleisch essen, und Gymnasiasten ihre Matura-Reise mit dem Nachtzug antreten. Es ist das Jahr, in dem sich Schweizer Städte ehrgeizige Klimaziele setzen und die Welt auf eine 16-jährige schwedische Aktivistin blickt.

Das Klima ist das mediale, gesellschaftliche, politische Über-Thema, das die erste Hälfte dieses Jahres dominiert hat. Hitzetage, Sojaschnitzel, Elektroautos – kaum eine Debatte wurde davon nicht vereinnahmt. Nun ist der erste Sommer nach den Klimaprotesten angebrochen, die Frage lautet: Wie konsequent im Verzicht sind die Schweizerinnen und Schweizer, wenn es um ihre Ferien geht?

Eine exklusive Umfrage im Auftrag der SonntagsZeitung zeigt einen ernüchternden Trend. Auch in der Schweiz waren es Schüler und Jugendliche, welche die Klimastreiks angestossen haben – doch ausgerechnet diese Generation verhält sich beim Reisen am wenigsten umweltfreundlich. Auf die Frage, mit welchem Transportmittel sie dieses Jahr in die Ferien reisten, gaben zwei Drittel der 13- bis 17-Jährigen an: mit dem Auto oder Flugzeug. Je älter die Befragten, desto tiefer dieser Wert. Bei den 55- bis 64-Jährigen verreisen nur noch 35,7 Prozent mit Auto oder Flugzeug. An der repräsentativen Erhebung nahmen knapp 1000 Social-Media-Nutzer aus der gesamten Schweiz via Facebook oder Instagram teil.

Auch die neusten Zahlen des Flughafens Zürich lassen keinen «Greta-Effekt» erkennen: Im Juni verzeichnete das Geschäft einen Passagierzuwachs von 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr – 2 Millionen Passagiere flogen im vergangenen Monat von und nach Kloten. Das berichtete diese Woche die NZZ. Zwar waren im Frühling die Passagierzahlen leicht rückläufig, doch über das gesamte Halbjahr hinweg spürt der grösste Flughafen der Schweiz steigende Nachfrage. Ähnliches vermelden die Flughäfen Genf und Basel-Mülhausen. Und obwohl immer mehr Passagiere ihren CO2-Ausstoss kompensieren – der Anbieter Myclimate verzeichnet ein Plus von 400 Prozent –, gehören sie immer noch zur grossen Minderheit: Schätzungsweise weniger als 5 Prozent sind bereit, freiwillig mehr für ihren Flug zu bezahlen.

All dies setzt ein Fragezeichen hinter den Begriff der «Klima­jugend»: Es scheint, als habe die Bewegung breite Kreise der Jugendlichen nicht erreicht. Der 18-jährige Zürcher Gymnasiast Jonas Kampus, Mitglied bei Swiss Youth for Climate und Aushängeschild der Klimademonstranten, reagiert enttäuscht auf die Umfrageresultate: «Es stimmt mich traurig, dass weiterhin so viele Menschen fliegen.» Eine Bewegung könne viel in einem halben Jahr ändern, «doch ein Trend, wie dieser bei den Flugreisen zu beobachten ist, lässt sich wohl nicht so einfach umdrehen».

Die «Generation Easyjet» ist mehr als ein Klischee

Diesen jüngsten, noch minderjährigen Umfrageteilnehmern lässt sich zugutehalten, dass sie möglicherweise nicht mitbestimmen können, wohin es in den Ferien geht, da sie mit ihren Eltern wegfahren. Wie also sieht die Öko-Bilanz bei den Jungen zwischen 18 und 24 Jahren aus? Noch schlechter: 32 Prozent planen dieses Jahr eine Flugreise – so viel wie keine andere befragte Altersgruppe.

«Flugzeug. Was anderes gibts nicht!!!!», schrieb ein Umfrageteilnehmer – die Befragten hatten die Möglichkeit, ihre Antworten zu kommentieren. «Weltreise mit Flugzeug, Zug, Auto und Schiff», beschrieb ein anderer seine Ferienpläne. Bereits 2015 zeigte eine Studie des Bundesamts für Statistik, dass keine Altersgruppe privat mehr fliegt als die 18- bis 24-Jährigen. Die «Generation Easyjet», die sich die Welt im Billigflieger zu eigen macht, scheint nun auch in Zeiten des Klimastreiks mehr als ein Klischee zu sein.

Die ältere Generation macht öfter Ferien auf Balkonien

Das mag auch daran liegen, dass Flugreisen – gerade für Junge – oft verlockend günstig sind. «Viel zu billig», sagt Aktivist Jonas Kampus. Ändern werde sich wenig, «solange der Flug nach London billiger ist als die Zugreise ins Bündnerland». Zu einem ähnlichen Schluss in diesem Punkt kommt auch die SVP, die Klimajugendliche wie Kampus gerne als naive Träumer schmäht. «18- bis 25-Jährige verfügen im Vergleich zu älteren Semestern wohl oft nicht über die nötigen finanziellen Mittel, um sich eine der herrschenden Klimahysterie angepasste Form des Reisens leisten zu können», schreibt die Partei auf Anfrage. Die Umfrage mache deutlich, «dass sich nur Gutsituierte die links-grünen Utopien leisten können».

Auch die Grünen begründen die Vielfliegerei der unter 25-Jährigen mit dem Budget: «Bezüglich der Einkommensverhältnisse ist diese Altersgruppe sicher am ehesten preissensibel.» Die Partei nutzt die Resultate der Umfrage, um für ein bekanntes grünes Anliegen zu werben: eine Flugticket-Abgabe. Weiter müssten Nachtzüge ins Ausland ausgebaut werden, ebenso wie SBB-Sparbillette und Sonderangebote für Junge.

Von Flugscham kann bei jungen Menschen also offenbar keine Rede sein – allerdings sind Teenager mit 21,3 Prozent in der Umfrage auch bei den Zugreisenden am besten vertreten. Bei den 55- bis 64-Jährigen waren es nur knapp halb so viele (11,7 Prozent). Anders gesagt: Die ältere Generation reist weniger mit dem Zug, aber auch seltener mit Flugzeug und Auto. Sie verbringt offenbar öfter Ferien auf Balkonien. 38 Prozent ab 45 Jahren gaben an, dieses Jahr gar nicht zu verreisen.

Daheimgebliebene weisen die beste CO2-Bilanz auf – Beweis für ein ökologisches Umdenken ist das indes noch nicht. Auch finanzielle oder gesundheitliche Gründe können einen davon abhalten, die Koffer zu packen. Denken die Schweizerinnen und Schweizer also an die Umwelt, wenn sie entscheiden, ob sie nach Thailand oder ins Berner Oberland verreisen? Auch diese Frage wurde in der Umfrage gestellt – die Antworten stimmen erneut wenig optimistisch.

Auf die Frage, ob die Klimadiskussion Einfluss auf die Wahl ihrer Feriendestination habe, gab die Hälfte der 13- bis 17-Jährigen an: nein. Nur ein Drittel bejahte, 14 Prozent waren sich unsicher. Ähnliche Resultate zeigen sich bei den weiteren jungen Altersgruppen. Erst bei den über 35-Jährigen kehrt der Trend: Eine – eher knappe – Mehrheit der Befragten zwischen 35 und 54 Jahren gibt an, ihre Ferien mit der Klimadebatte im Hinterkopf geplant zu haben. Die Umfragekommentare sind gespalten. «Diese ganze Klimahysterie geht mir völlig auf den Sack!!», schreibt ein Teilnehmer. «Machen, nicht nur reden!», fordert eine Befragte. Sie scheint mit ihrer Haltung in der Minderheit zu sein.