Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Kehrtwende der Regierung

 

Der Regierungsrat gibt den Widerstand gegen die zivile Fliegerei in Dübendorf auf. Er unterstützt aber das Konzept der Standortgemeinden, welche die Geschäftsfliegerei verhindern wollen.

Noch im November 2015 äusserte die Zürcher Regierung grundsätzliche Bedenken gegen eine zivilaviatische Nutzung des Flugplatzes Dübendorf. Als Gründe führte sie dessen Lage in einem dichtbesiedelten Gebiet und die unmittelbare Nähe zum Flughafen Zürich an. Einverstanden war sie nur mit einer Helikopterbasis für Armee, Kantonspolizei und Rettungsflugwacht.

Jetzt hat die Exekutive eine Neubeurteilung vorgenommen. Da der Bund als Eigentümer auf der weiteren aviatischen Verwendung des Geländes besteht, gehe es nicht mehr darum, ob in Dübendorf geflogen werde oder nicht, sondern darum, welche Funktion künftig dem Militärflugplatz zukomme und wie der Flugbetrieb ausgestaltet werden solle, schreibt die Zürcher Regierung in einer Mitteilung. Deshalb hat sie beschlossen, sich konstruktiv in den demnächst anlaufenden SIL-Prozess (Sachplan Infrastruktur Luftfahrt) einzubringen.

Man folgt dem Bundesrat

Die Ausgangslage änderte sich in verschiedener Hinsicht, wie auch die Regierung ausführt. So hat der Bund von seiner umfassenden Kompetenz in der Luftfahrt Gebrauch gemacht und Ende August 2016 die weitere aviatische Nutzung des Flugplatzes festgelegt. Das sei für den Kanton verbindlich, hält die Regierung fest. Im Übrigen habe das Parlament im kantonalen Richtplan auf die Zuständigkeit des Bundes verwiesen. Gleichwohl werden Festlegungen zum Flugplatz Dübendorf nicht unumstritten bleiben. Die Exekutive will aber lange Auseinandersetzungen vermeiden: Das gelinge nur, wenn der Kanton seine Handlungsfähigkeit gegenüber dem Bund stärke.

Als weiteren wichtigen Grund für ihren Gesinnungswandel führt die Regierung den Kurswechsel der Standortgemeinden Dübendorf, Wangen-Brüttisellen und Volketswil an. Diese lehnten zunächst jede weitere Nutzung des Flugplatzes mit Flächenflugzeugen ab, präsentierten aber im letzten Herbst überraschend einen eigenen Vorschlag für einen «historischen Flugplatz mit Werkflügen». Die Regierung reicht dieses Konzept nun im SIL-Prozess beim Bund ein.

Aus einer Mitteilung der drei Gemeinden vom Donnerstag geht erstmals genauer hervor, was sie sich darunter vorstellen. Ziel ist es, den Flugplatz zwar weiter zu nutzen, aber die Belastungen der Bevölkerung durch Fluglärm zu minimieren. Konkret ist vorgesehen, die heutigen Funktionen, insbesondere für die Luftwaffe, Blaulichtorganisationen, aber auch wie derzeit als Ausweichflughafen während des Weltwirtschaftsforums in Davos und für die historischen Rundflüge der Ju-Air, beizubehalten. Hinzu kommen Flüge im Zusammenhang mit dem Innovationspark, generell für Forschungszwecke und neu die Funktion als Werkflugplatz für den Unterhalt, die Reparatur oder die Umrüstung von Fluggeräten.

Die drei Gemeinden nennen nun auch Eckwerte für den Flugbetrieb. Er soll sich mit Ausnahmen für die Ju-Air und Notfälle mehr oder weniger auf die Bürozeiten beschränken (Montag bis Freitag 7 Uhr 30 bis 12 Uhr und 13 Uhr 30 bis 17 Uhr). Angestrebt werden rund 20 000 Flugbewegungen im Jahr, inklusive der rund 7600 Flüge der Luftwaffe. Weil damit die anfallenden Kosten nicht gedeckt werden können, wollen die Gemeinden eine private AG gründen und das Defizit von geschätzt 1,7 Millionen Franken im Jahr selber decken.

Zivilfliegerei als Chance

Der Regierungsrat beurteilt dieses Konzept ziemlich skeptisch. Er rechnet vor, dass die Beiträge der Gemeinden etwa einem Steuerprozent entsprächen, was erheblich sei, und zweifelt deshalb am positiven Ausgang einer Volksabstimmung. Die im Konzept geforderten Beiträge durch den Innovationspark und die Luftwaffe könnten diese nicht leisten. Vorsichtig formuliert die Regierung in doppelter Verneinung, dass ein solcher Entwicklungspfad insgesamt «nicht grundsätzlich unmöglich» erscheine. Eine Klärung und Vertiefung sei aber möglich und sinnvoll.

Umgekehrt äussert sich die Exekutive heute positiver zur Nutzung des Flugplatzes für die Geschäftsfliegerei. Sie zitiert Studien, wonach diese in der Schweiz eine Wertschöpfung von rund 1,1 Milliarden Franken leiste. Es sei absehbar, dass die Business-Aviation aus betrieblichen Gründen aus Kloten verdrängt werde, heisst es im Beschluss: «Dübendorf bietet die Chance, durch Aufnahme von Teilen dieser Sparte Arbeitsplätze im Kanton zu halten und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Zürich zu erhalten und stärken.»

Hauptsache ist die Beilage

Haben die Standortgemeinden dem Regierungsrat ungewollt einen Pass zugespielt, so dass er seinen Widerstand gegen die Zivilluftfahrt in Dübendorf aufgeben konnte? Dübendorfs Stadtpräsident Lothar Ziörjen winkt ab. Dass der Regierungsrat sich etwas geöffnet habe, gehöre zu dessen Job. Die verschiedenen Interessen seien im bevorstehenden Prozess ohnehin noch auszutarieren. Am wichtigsten ist Ziörjen, dass der Kanton nun das Konzept für einen «historischen Flugplatz» als Beilage nach Bern schickt. Als Gemeinden könnten sie nicht direkt an den Bund gelangen. So habe man erreicht, dass neben der zivilaviatischen Nutzung gemäss den Vorstellungen des Bundes endlich auch über einen alternativen Vorschlag gesprochen werden müsse.

Ausserdem sei das der einzige Weg, um zum Flugplatz Dübendorf einen Volksentscheid herbeizuführen, sagt Ziörjen. Das erlaube den Gemeinden eine Güterabwägung: Sie erhalten die Chance, die Situation unter Kontrolle zu halten, aber es kostet etwas. Die drei Kommunen seien zuversichtlich, dass dafür eine Mehrheit erreichbar sei.

Für Ziörjen ist der Vorschlag bereits ein Kompromiss. Ziel bleibe, Geschäftsfliegerei in Dübendorf zu verhindern. Das sei nicht nur im Interesse von Dübendorf: Werde ein Teil dieses Geschäfts nach Dübendorf verlagert, würden diese Flüge nicht mehr in den Zürcher Fluglärmindex eingerechnet, sagt er, was für die ganze Region mehr Fluglärm bedeuten könne.

Zahlreiche Bedingungen

Umgekehrt ist es nicht so, dass sich die Zürcher Regierung bereits auf die Seite des Bundes geschlagen hätte. Für sie sind im Businessplan der Flugplatz Dübendorf AG, die der Bund als Betreiberin ausgewählt hat, noch nicht alle Fragen geklärt. Ob die Gesellschaft die nötigen Investoren finde, werde sich erst weisen, schreibt sie und betont, dass die Business-Aviation in Zürich seit Jahren stabil, aber nicht ansteigend sei.

Weiter hat der Regierungsrat eine Reihe von Eckwerten und Vorbehalten definiert, die er im SIL-Prozess einbringen wird. Demnach sollen der Flugbetrieb in Kloten und der Innovationspark Priorität haben; die Fliegerei habe sich in die übergeordnete Luftraumnutzung einzufügen. Das im August festgesetzte Lärmkorsett müsse auf Dauer Bestand haben, Optimierungen seien durch Einschränkungen der Betriebszeiten und Routen anzustreben, nicht über die Begrenzung von Bewegungen. Die Siedlungsentwicklung dürfe nicht beeinträchtigt werden, schreibt der Regierungsrat und hält schliesslich fest, Ziel müsse ein eigenwirtschaftlicher Betrieb des Flugplatzes ohne Subventionen und Garantien durch den Kanton sein.

Zuspruch von gegensätzlichen Seiten

sho. ⋅ Der Beschluss des Regierungsrats hat etwas Salomonisches: Er anerkennt den Stellenwert der Geschäftsfliegerei, reicht aber beim Bund den Vorschlag der Standortgemeinden ein, mit dem diese deren Ansiedlung in Dübendorf verhindern wollen. Das findet bis auf eine Ausnahme Zustimmung.

Als direkt Beteiligte nimmt die Flugplatz Dübendorf AG mit Genugtuung von der Neubeurteilung Kenntnis. Damit anerkenne der Regierungsrat, dass der Flugplatz Dübendorf als strategische Infrastruktur für die Aviatik erhalten bleiben solle, sagt ihr Geschäftsführer Urs Brütsch. Positiv sei weiter, dass er nun die Zuständigkeit des Bundes anerkenne. Auch seien die Eckwerte eine Bestätigung der Rahmenbedingungen, die der Bund bei der Ausschreibung des Flugbetriebs formuliert habe. Erfreulich ist für Brütsch schliesslich, dass die Standortgemeinden von ihrer ursprünglich fundamentalistisch ablehnenden Haltung weggekommen seien.

Analog begrüsst die IG Dreifachnutzung den Entscheid. Auch sie setzt sich für die zivile Nutzung ein. Weniger selbstverständlich ist, dass die IG Zivilflugplatz Dübendorf Nein zufrieden ist. Dies, weil das Gemeindekonzept beim Bund eingereicht wird. Sie erwartet, dass es ernsthaft geprüft und bewilligt wird. Die Zürcher Handelskammer sieht den Regierungsrat nun auf dem richtigen Weg; der Wirtschaftsraum Zürich brauche eine ausreichende Infrastruktur für die Business Aviation. Auch die FDP begrüsst den Richtungswechsel. Ein Innovationspark mit eigenem Flugfeld sei einmalig in Europa. Die SP hingegen schreibt von einem Jahrhundertfehler, in der Agglomeration Zürich einen weiteren Flughafen einzurichten.