Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Kleine Schritte am Flughafen Zürich

NZZ 19.08.2016 – Kommentar

Bundesrätin Doris Leuthard will den Südstart geradeaus in der Mittagsspitze nicht zulassen. Aus kurzfristiger Optik ist dies nachvollziehbar, mittelfristig werden so Optionen verbaut.

Der Sommer verlief am Flughafen Zürich überraschend unbeschwert. Trotz Anschlägen im Ausland liessen sich die Schweizer das Reisen nicht verderben, ein Passagierrekord jagte den anderen. Nun rücken wieder Themen in den Fokus, die keine Ferienstimmung verbreiten, sondern hitzige Diskussionen provozieren.

Wie soll am Flughafen Zürich die Komplexität reduziert werden, die heute sehr hoch ist, unter anderem wegen vieler Betriebswechsel und Pistenkreuzungen in der Luft und am Boden? Wie soll darauf reagiert werden, dass zu Spitzenzeiten heute schon Engpässe auftreten und weitere Kapazitätsengpässe absehbar sind? Bundesrätin Doris Leuthard will dazu demnächst konkret Stellung nehmen und jenen Entwicklungsrahmen vorlegen, auf den alle Akteure seit langem warten: den neuen Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt für den Flughafen Zürich (SIL).

Der nun bekanntgewordene Entwurf für das entscheidende Objektblatt im SIL macht die Stossrichtung Leuthards deutlich. Sie setzt auf das Machbare, auf kleine Schritte, sie nimmt Rücksicht auf den dichtbevölkerten Süden des Flughafens – und verzichtet dafür auf einen Befreiungsschlag bezüglich Sicherheits- und Kapazitätsfragen.

Der angestrebte Kompromiss sieht wie folgt aus: Die Pisten 28 und 32 sollen verlängert werden, wie es in einem Sicherheitsbericht vom Dezember 2012 empfohlen wurde. Im Objektblatt gefordert wird auch die Einführung des Südstarts geradeaus – allerdings nur bei Nebel und Bise und nicht auch in der Mittagsspitze, wie es vor allem die Airline Swiss, die Flugsicherung Skyguide und die Regionen Ost, West und Nord fordern. Die Enttäuschung bei den Promotoren des geraden Südstarts über Teile der Stadt Zürich, das Zürcher Oberland und die Zürichseeregion dürfte umso grösser sein, als Leuthard anfänglich Anstalten machte, ihn auch im Regelbetrieb durchzudrücken, gegen den Willen der Zürcher Regierung.

Nun krebst Leuthard zurück. Das ist zum einen nachvollziehbar. Der Südstart geradeaus ist zwar in der Tat eine verlockende Variante. Sein Einsatz brächte in Kombination mit Nordanflügen maximale Sicherheit und maximale Kapazität. Aber er beträfe auch eine maximale Anzahl Menschen und verträgt sich nicht mit der sinnvollen Losung, dass der Flugverkehr möglichst wenig Anwohner betreffen sollte.

Zum anderen ist es aber auch hemmend, denn ohne eine Erwähnung im SIL-Objektblatt wird auf lange Sicht nicht einmal darüber diskutiert werden können, ob der Südstart geradeaus auch am Mittag eingesetzt werden kann. Dabei sind durchaus Szenarien denkbar, in denen dies diskutierbar sein wird. So kann vielleicht Deutschland doch noch eine bessere Lösung als die heute unsäglichen einseitigen Sperrzeiten abgerungen werden.

Oder es zeigt sich im Süden nach Erfahrungen bei Nebel und Bise, dass der gerade Start doch nicht alles erzittern lässt. Oder es wird ein Tauschhandel möglich: Südanflüge werden durch gekröpfte Nordanflüge ersetzt, dafür starten in der Mittagswelle rund zwei Dutzend Maschinen über den Süden. Solche kreativen Optionen lässt der SIL-Entwurf nicht zu. Wird er in dieser Form verabschiedet, ist jetzt schon sicher, dass er eine kurze Halbwertszeit haben wird.