Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Mehr Umsteigeflüge, weniger Auswahl, teurere Tickets

TA 09.05.2021 – Flugreisen nach Corona

Nicht nur Swiss muss sich redimensionieren. Die Airlinebranche wurde von der Pandemie so stark getroffen wie wenig andere. Das werden auch Passagiere zu spüren bekommen – sechs Konsequenzen.

Eigentlich sah es aus, als sei das Schlimmste vorbei. Die Schweiz und viele andere Länder machen beim Impfen Fortschritte, erste Länder öffnen sich wieder. Ferien scheinen bald wieder möglich. Airlines beginnen, ihre parkierten Flugzeuge zu reaktivieren. Doch bei Swiss war der 6. Mai für viele Mitarbeitende wohl der schlimmste Tag ihrer Karriere. Bis zu 780 Kündigungen wird das Management aussprechen, weil es erwartet, dass die Nachfrage vor allem bei den lukrativen Geschäftskunden auch in Zukunft um 20 Prozent unter Vor-Pandemie-Niveau liegen wird. Nach der Hiobsbotschaft brachen Swiss-Mitarbeitende in Tränen aus.

Es sind Szenen, wie sie sich bei vielen Airlines weltweit abspielen und noch abspielen werden. Denn was die Entwicklung der Luftfahrtbranche angeht, haben sich die Fluggesellschaften wie so viele andere auch zu Beginn der Pandemie massiv verschätzt. Der Aufschwung kommt später und ist weniger steil als zuerst erhofft.

Nach der schlimmsten Krise ihrer Geschichte wird die Luftfahrt eine andere sein. Und das werden auch Passagiere zu spüren bekommen.

1 Weniger Auswahl

Nach der Arbeit am Freitag auf einen Weekendtrip nach Spanien? Für einen Tag Shopping nach London? Oder morgens zum Businesslunch nach Paris und am Abend wieder zurück? Das alles war vor der Pandemie möglich und wurde auch gemacht. Doch ermöglicht wurden die ultraspontanen Kurztrips und Lunch-Ausflüge auch durch eine riesige Auswahl an täglichen Flügen.

Und bis die Auswahl auf einem Niveau wie vor der Pandemie ankommt, dürfte noch einige Zeit vergehen. Konnte man vor etwas mehr als einem Jahr noch aus mehr als 20 Flügen pro Tag nach London wählen, sind es jetzt ab Zürich bestenfalls zwei. In den kommenden Monaten wird sich die Zahl auch wieder erhöhen – doch die Möglichkeit, stündlich abzufliegen, wird es wohl erst einmal nicht mehr geben.

2 Mehr Umsteigen

Nicht nur die Anzahl der Flüge pro Tag, auch die Anzahl der angebotenen Ziele dürfte sich deutlich reduzieren. Denn wenn die Airlines beginnen, ihr Angebot wieder auszuweiten, dürften sie sich zunächst auf die lukrativsten Strecken konzentrieren, auf denen sie hohe Margen erwirtschaften können oder auf denen die Nachfrage enorm hoch ist.

Ab der Schweiz sind das zum Beispiel Flüge nach New York, São Paulo, London oder Berlin. Auf vielen anderen Strecken – etwa nach Asien – ist die Konkurrenz so hoch, dass es sich schlicht nicht für alle lohnt, wieder einzusteigen. Damit dürfte sich ein bisheriger Trend umkehren. Vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie waren Direktflüge gefragt – mit ihnen ist man immerhin schneller, aber natürlich auch mit deutlich weniger Emissionen am Ziel.

Doch mit dieser Entwicklung ist es jetzt erst einmal vorbei. Auch Carsten Spohr, Chef der Swiss-Mutter Lufthansa, stellte vergangene Woche in Aussicht, dass es in Zukunft mehr Umsteigeflüge geben werde. «Für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen braucht es eine gewisse Anzahl Passagiere», so der Konzernchef. Wenn die Passagierzahlen geringer seien, steige automatisch der Anteil der Umsteigeflüge. Wer mit Swiss bucht, der könnte demnächst also vermehrt auch über andere Lufthansa-Drehkreuze wie Frankfurt oder München fliegen.

«Genau wie bei Nichtraucherflügen werden wir uns bald fragen, wie es früher möglich war, ohne Maske zu fliegen.»Mehdi Guenin, Sprecher Helvetic Airways

3 Mehr Hygiene

Nach jeder bisherigen Krise setzten sich in der Luftfahrt gewisse Veränderungen auch langfristig durch. Nach dem 11. September 2001 etwa waren das unter anderem die verriegelte Cockpit-Tür, das Verbot von Flüssigkeiten und die stark verschärften Sicherheitskontrollen.

In der Luftfahrtbranche ist man sich einig, dass die nachhaltigen Veränderungen sich auf die Hygiene beziehen dürften. Viele Fluggesellschaften haben strengere Hygieneregimes eingeführt, desinfizieren öfter und gründlicher. Das dürfte auch nach der Coronavirus-Pandemie so bleiben. Auch die Maskenpflicht dürfte trotz Impfung bestehen bleiben. Das glaubt auch Mehdi Guenin, Sprecher der Regionalairline Helvetic Airways. Hygienemassnahmen in der Luftfahrt würden bereits jetzt zur Alltagsroutine des Passagiers gehören. «Genau wie bei Nichtraucherflügen werden wir uns bald fragen, wie es früher möglich war, ohne Maske zu fliegen», sagt er.

Helvetic testet zudem derzeit einen Roboter, der Flugzeugkabinen statt mit Desinfektionsspray mit UV-C-Licht reinigt. Noch stehen Tests der Flugzeughersteller aus, wie sich das Licht auf die Kabinenausstattung auswirkt. «Indem wir die Entwicklung eines 100% Schweizer UV-Roboters zur Desinfektion von Flugzeugkabinen aktiv unterstützen, leisten wir einen konkreten Beitrag, um Flugreisen in naher Zukunft sicherer zu machen», sagt Guenin dazu. Solche Technik werde auch über die aktuelle Pandemie hinaus gebraucht. «Viren und Bakterien wird es nach wie vor geben.»

4 Günstige Tickets

Wenn der Flugverkehr wieder hochfährt, geht es erst darum, die Flugzeuge zu füllen. Und das geht, indem man günstige Preise anbietet. Das sah man bereits in den vergangenen Monaten. Easyjet etwa fuhr in Basel und Genf das Flugangebot langsam hoch. Auf die Kanarischen Inseln und zurück kam man mit Gebühren und leichtem Gepäck für knapp 100 Franken. Auch Flüge nach Mallorca oder an Ziele in Portugal waren ähnlich günstig zu haben.

5 … und teilweise auch teurere

Doch auch wenn es hierzulande zunächst gute Angebote geben dürfte. Nachhaltig wird die Entwicklung nicht sein. Einerseits liegt das am verkleinerten Angebot. Durch die Staatshilfen werden derzeit noch einige Airlines am Leben gehalten, die es sonst vielleicht schon gar nicht mehr gäbe. Daher dürfte es noch zu weiteren Pleiten in der Branche kommen. Zudem schrumpft nicht nur die Swiss, sondern fast alle anderen Airlines weltweit auch. Und: Die Kosten steigen für viele, etwa durch stärkere Hygienemassnahmen.

Vor allem auf Langstrecken und Strecken mit wenig Konkurrenz dürften die Preise im Vergleich zu vor der Pandemie teurer werden. Dort fallen viele direkte Strecken weg. Auf Kurz- und Mittelstrecken in Europa gibt es auch weiterhin Billigairlines wie Easyjet, Ryanair oder Wizzair, die finanzstark sind und das Preisniveau niedrig halten. Dasselbe gilt für sogenannte Rennstrecken wie die nach New York. Auch dort ist die Konkurrenz so hoch, dass die Preise nicht deutlich steigen dürften.

6 Weniger Businessreisende

Gerade Swiss erwirtschaftete vor der Pandemie einen Grossteil des Umsatzes durch Geschäftsreisende. Und auf den vorderen Sitzplätzen im Flieger sind auch die Margen enorm hoch. Doch einige Konzerne wie etwa Nestlé haben bereits angekündigt, die Geschäftsflüge herunterzufahren. Denn Firmen bemerken, dass vieles sich auch per Telefon oder Zoom erledigen lässt. Natürlich wird es aber auch immer Dinge geben, die sich nicht per Video erledigen lassen. Doch auch Geschäftsreisende erwägen zunehmend den Zug als Transportmittel. Laut einer Studie der UBS steigt die Toleranz von Geschäftsreisenden, was die Länge von Zugreisen betrifft.

Statt zwei bis drei Stunden ist es für viele von ihnen inzwischen denkbar, vier Stunden im Zug zu reisen. Bei Freizeitreisenden steigt die Toleranzgrenze auf sechs Stunden. Um die 500 Kilometer weit kommt man so – das machte 2019 rund ein Fünftel des Marktes in Europa aus.