«Ein Pistenausbau würde zu noch mehr Lärm führen», sagen die Gegner der Flughafenvorlage. Stimmt das? Neun Behauptungen im Faktencheck
Im Abstimmungskampf vor dem Entscheid am 3. März sind längst nicht alle Aussagen glaubwürdig.
Der Flughafen steht vor dem wichtigsten Urnengang seit Jahrzehnten. Vor dem Entscheid am 3. März kursieren viele Behauptungen. Die Gegner der Pistenverlängerungen warnen: vor mehr Lärm und einem Ausbau auf Kosten der Umwelt. Die Befürworter versprechen hingegen, es werde sogar weniger Lärm und «mehr Nachtruhe» geben.
Wie steht es um den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen? Eine Einordnung anhand von neun Zitaten aus der Abstimmungspropaganda.
Diese Aussage der Gegner der Pistenverlängerungen wird sehr kontrovers diskutiert. Aber gemäss Fachleuten, zum Beispiel von der Flugsicherung Skyguide oder vom Bundesamt für Zivilluftfahrt, ist sie eindeutig falsch. Dies ergibt sich auch aus der Logik des Flughafenbetriebs. Die Verlängerungen haben auf den Normalbetrieb des Flughafens keinen Effekt. Sie spielen lediglich im sogenannten Ost-Konzept – beim Anflug von Osten her – eine Rolle.
Das Ost-Konzept gilt aber praktisch nur abends ab 21 Uhr, weil dann Deutschland den Luftraum nördlich des Flughafens für Anflüge sperrt. Dann ist eine Erhöhung der Kapazität ausgeschlossen, weil strenge Lärmschutzvorgaben gelten. Eine Lockerung dieser Vorgaben ist nicht abzusehen.
Die Gegner der Massnahme sprechen stets nur von der allgemeinen Möglichkeit einer Kapazitätssteigerung und äussern Misstrauen gegenüber dem Flughafen. Ein realistisches Szenario, wie ein Ausbau entgegen den Lärmschutzbestimmungen am Abend erfolgen sollte, legen sie nicht vor.
Korrekt ist, dass der Bund eine Kapazität von 70 Flugbewegungen pro Stunde vorgibt und dass diese Zahl heute bei 66 liegt. Die langfristig angepeilte leichte Steigerung soll aber durch andere Anpassungen erfolgen, zum Beispiel Verbesserungen bei den Anflugrouten in grosser Höhe. Pistenverlängerungen haben nichts damit zu tun – eben weil sie im Normalbetrieb kaum einen Effekt haben.
Für diese Aussage der Gegner gibt es keinerlei Grundlage. Es können schlicht keine zusätzlichen Flüge am Abend geplant werden, solange der Flughafen die Vorgaben in den lärmsensitiven Abendstunden nicht einhält.
Der Flughafen ist heute gehalten, die Zahl der Flüge nach 23 Uhr deutlich zu reduzieren. Die Anzahl Zeitfenster (Slots) für startende und landende Flugzeuge ist beschränkt. Es können keine Slots nach 22 Uhr 45 für Starts sowie nach 22 Uhr 55 für Landungen vergeben werden – das Bundesamt für Zivilluftfahrt hat vor einigen Jahren einen sogenannten Slot-Freeze verfügt. Der Nachtlärm nach 23 Uhr müsste deutlich sinken, damit sich dies ändern könnte.
Auch danach könnten aufgrund der Lärmschutzvorgaben nicht beliebig viele Slots vergeben werden. Deshalb ist es plausibel, dass Effizienz, die durch die Pistenverlängerungen gewonnen wird, der Verspätungsreduktion zugutekommt.
Dieses Argument der Befürworter der Pistenverlängerungen zielt auf die Rollwege. Schwere Flugzeuge haben heute einen langen Anfahrtsweg am Boden vor sich. Sie können nicht direkt ab dem Dock E, von wo viele Interkontinentalflüge starten, auf die nahe gelegene Piste 32 rollen. Denn diese Piste ist zu kurz. Sie müssen auf eine andere Piste ausweichen. Würde die zu kurze Piste verlängert, entfiele der Anfahrtsweg von bis zu zehn Minuten.
Technisch gesehen ist die Aussage also korrekt. Sie ist aber nur bedingt relevant: Auf einem Langstreckenflug dürfte sich der CO2-Anteil des Rollwegs bestenfalls im Promillebereich bewegen.
Die Gegner der Pistenverlängerungen nennen in diesem Zusammenhang die Zahl von 27 Prozent: Dies sei der Anteil der Luftfahrt am menschengemachten Klimaeffekt der Schweiz. Der Anteil der Luftfahrt an CO2-Emissionen beträgt in der Schweiz 12 Prozent (weltweit sind es rund 3 Prozent).
Wenn man aber indirekte Effekte auf das Klima wie die Bildung von Zirruswolken und Kondensstreifen durch Flugzeuge mit einrechnet, ist der Wert beträchtlich höher. Gemäss der Einschätzung von Klimawissenschaftern ist der angegebene Wert von 27 Prozent grundsätzlich plausibel.
Allerdings geht es bei den Pistenverlängerungen gerade nicht um einen Ausbau (siehe Punkt 1), weshalb auch nicht mehr CO2 ausgestossen würde.
Diese Aussage der Gegner ist falsch. Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt hat die Auswirkungen simuliert, die entsprechenden Lärmkarten sind öffentlich zugänglich. Sie zeigen, dass die Lärmbelastung sogar leicht sinkt. Fakt ist, dass der Osten des Kantons abends stärker be-, der Süden stärker entlastet wird. Damit würde realisiert, was bereits heute eigentlich gilt, aber aus technischen Gründen nicht umgesetzt werden kann.
Lokal gibt es im Westen eine leichte Entlastung sowie nördlich des Flughafens leichte Verschiebungen bei der Lärmbelastung.
Diese Aussage der Befürworter basiert darauf, dass es mit den Pistenverlängerungen weniger Systemumstellungen geben soll. Diese sorgen heute für Verspätungen, welche sich über den Tag kumulieren. Sie müssen dann zwischen 23 Uhr und 23 Uhr 30 abgebaut werden. Mit den Pistenverlängerungen soll es weniger Systemumstellungen geben und damit weniger Verspätungen.
Dies ist grundsätzlich plausibel. Ob und in welchem Mass man aber wirklich mehr Nachtruhe versprechen kann, ist eine andere Frage. Die Verspätungen entstehen nicht nur am Flughafen Zürich, sondern auch durch Wetterkapriolen oder durch Streiks ausländischer Fluglotsen. Gemäss Swiss sind rund zwei Drittel der Verspätungen diesen Effekten anzulasten und rund ein Drittel dem komplizierten Zürcher Pistensystem.
Verbesserungen durch die Pistenverlängerungen sind somit zu erwarten, aber Verspätungen wird es auch weiterhin geben und damit auch Lärm nach 23 Uhr.
Korrekt an dieser Aussage der Gegner der Pistenverlängerungen ist, dass kein akuter Notstand am Flughafen Zürich besteht. Allerdings sind die Pistenverlängerungen eine direkte Sicherheitsempfehlung aus einem Sicherheitsbericht des Bundes von 2012. Dieser Bericht fordert höhere Sicherheitsmargen am Flughafen, und zwar durch den Abbau der Anzahl Kreuzungspunkte in der Luft und am Boden. Zürich ist in dieser Beziehung weltweit fast einmalig komplex. Die Pistenverlängerungen sollen dies zumindest ein wenig verbessern.
Die Aussage, dass alle Flugzeuge auf allen Pisten landen können, stimmt in der Theorie und bei idealen Wetterbedingungen. In der Praxis hat sie aber kaum einen Wert. Denn es liegt in der Entscheidung der Pilotinnen und Piloten, auf welcher Piste sie landen wollen. Sie können den Anflug auf der kurzen Piste 28 in Ost-West-Richtung verweigern, was bei schweren Flugzeugen oft vorkommt. Damit diese Flugzeuge auf der längeren Piste von Süden her landen können, muss die Flugsicherung den ganzen Betrieb umstellen, mit Folgen für die Pünktlichkeit. Solche Betriebsumstellungen können mehrmals täglich vorkommen.
Diese Aussage der Gegner ist irreführend, denn sie behauptet einen Zusammenhang zwischen den Pistenverlängerungen und dem Wachstum des Flughafens, den es nicht gibt (siehe Punkt 1). Unabhängig davon ist korrekt, dass Flughafenverantwortliche in der Vergangenheit die Schätzung von jährlich 50 Millionen Passagieren abgegeben haben, die zirka Mitte des Jahrhunderts über Zürich fliegen werden. Heute sind es rund 30 Millionen Passagiere. Diese Zahl ist laut Flughafen kein Ziel, sondern eine Prognose zur erwarteten wachsenden Nachfrage infolge des Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums.
Allerdings ist, anders als oft kolportiert, keineswegs klar, dass mit der Zahl der Passagiere automatisch auch jene der Flugbewegungen wächst. Seit 2008 bis 2019 und der Corona-Delle stieg die jährliche Zahl der Passagiere um beinahe 50 Prozent von 22 auf über 31 Millionen. Die Zahl der Flugbewegungen blieb aber unverändert bei 275 000. Dies hauptsächlich wegen grösserer Flugzeuge.
Diese Aussage der Gegner ist sehr zweifelhaft. Denn das Drehkreuz Zürich wäre ohne die gesamthaft rund 30 Prozent Umsteigepassagiere nicht zu betreiben.
In diesem Fall würden viele wirtschaftlich wichtige Direktverbindungen in die ganze Welt wegfallen, und der Flughafen könnte kaum in der heutigen Form betrieben werden. Seine Wertschöpfung für die hiesige Wirtschaft wird allein auf 7 Milliarden Franken jährlich geschätzt.
Diese Aussage der Gegner ist irreführend. Denn für die Verlängerungen würden keine Steuergelder benötigt. Die Kosten von 250 Millionen Franken trüge der Flughafen alleine, er würde sie mit den Einnahmen aus den Flughafengebühren finanzieren. Aus Sicht des Flughafens wäre es eine Investition in die Sicherheitsinfrastruktur, wie er sie oft tätigt. 100 Millionen Franken beträgt dieser Posten pro Jahr.
Allgemein ist der Flughafen kein Bezüger von Steuergeld. Seit der Privatisierung im Jahr 2000 ist in Form von Steuern und Dividenden mehr als eine Milliarde Franken an die öffentliche Hand geflossen. Auch die Corona-Krise konnte er ohne Staatshilfen meistern.