Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Soll ich mich impfen lassen? Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Corona-Impfung

NZZ 16.12.2020

Langsam wird es ernst: In Kürze sollen in Deutschland und der Schweiz die ersten Personen gegen Sars-CoV-2 geimpft werden. Die neuen RNA- und DNA-Impfstoffe verursachen Sorgen wegen angeblicher Veränderungen des Erbguts.

Drei Impfstoffe gegen Sars-CoV-2 befinden sich in der EU und der Schweiz derzeit im beschleunigten Zulassungsverfahren. In England hat die Impfkampagne gegen Sars-CoV-2 bereits begonnen, andere Länder und auch die Schweiz warten auf die Ergebnisse der Zulassungsprüfung und bereiten ihre Impfkampagnen vor. Der Zeitpunkt, sich für oder gegen eine Impfung zu entscheiden, rückt näher. Diese Antworten auf Fragen, die nun bewegen, können dabei behilflich sein.

Wie sicher ist die Impfung?

Es sieht derzeit gut aus. Die Hersteller der drei am weitesten fortgeschrittenen Impfstoffe beteuern, dass ihre Vakzine sicher seien. Aus den Phase-III-Studien lägen die Daten von jeweils mehreren zehntausend Probanden und jeweils mehreren Monaten Überwachung vor.

Für den Impfstoff von Biontech/Pfizer hat bereits die amerikanische Prüfungsbehörde FDA am Dienstag (8. 12.) die Angaben der Firma bestätigt. Dort habe es keinen Fall einer schweren impfbedingten Erkrankung gegeben, hiess es. Auch bei Moderna sei es zu keiner impfbedingten schweren Erkrankung gekommen sei, hat die FDA die Firmenangaben bestätigt (15. 12.) . Beim Impfstoff der University of Oxford / AstraZeneca gab es laut der begutachteten Fachpublikation eine schwere Erkrankung, die mit der Impfung zusammenhängt.

Welche Personen sollen nicht geimpft werden?

Die britische Gesundheitsbehörde hat am Donnerstag (10. 12.) mitgeteilt, dass Personen, die in der Vergangenheit einen anaphylaktischen Schock nach der Einnahme eines bestimmten Lebensmittels, eines Medikaments oder einer Impfung erlitten hatten, die Vakzine von Biontech/Pfizer nicht erhalten sollten. Im Königreich sind zwei Fälle dieser heftigen allergischen Reaktion im Rahmen der am Dienstag (8.12.) gestarteten Impfkampagne aufgetreten. Ein anaphylaktischer Schock ist eine sehr seltene Immunreaktion auf eine Vielzahl von Substanzen oder auch Insektenstiche. Er tritt in der Regel bei hochgradigen Allergikern auf.

Welche Reaktionen treten direkt nach der Impfung auf?

Bis zu zehn Prozent der Teilnehmer der Impfstudien meldeten Rötungen, Schwellungen oder Schmerzen an der Injektionsstelle, zudem Kopfweh, Übelkeit oder Müdigkeit. Diese Reaktionen hielten höchstens einige wenige Tage an. All diese Nebenwirkungen kommen auch bei anderen Impfungen vor, sie gelten als Zeichen dafür, dass das Immunsystem auf den Impfstoff reagiert. Wie bei anderen Impfungen auch sollte man daher am Tag der Impfung als Vorsichtsmassnahme sportliche Betätigungen oder allzu viel körperliche Aktivität vermeiden.

Wann setzt der Impfschutz ein, und wie lange hält er an?

Ein gewisser Impfschutz dürfte bereits nach der ersten Dosis bestehen. Der volle Schutz sollte nach Erhalt der zweiten Dosis erreicht werden. Ein realistischer Zeitpunkt hierfür ist laut dem Immunologen Christian Münz von der Universität Zürich zwei Wochen nach der zweiten Impfung. Wie lange der Impfschutz anhält, ist noch unklar. Entsprechend lässt sich auch noch nicht sagen, wie und in welchen Abständen die Impfung aufgefrischt werden muss.

Von natürlichen Infektionen weiss man zwar, dass die Antikörper gegen Sars-CoV-2 mit der Zeit abnehmen. Es sind auch einzelne Fälle bekannt, in denen sich Personen zweimal mit Sars-CoV-2 infiziert haben. Aber es gibt mittlerweile Studien, gemäss denen die Antikörper auch sechs Monate nach der Infektion nur wenig abgenommen haben.

Sind alle Altersklassen gleich gut geschützt?

Das kann man noch nicht sicher sagen, denn es wurden bisher in allen Impfstudien hauptsächlich Personen zwischen 18 und 55 Jahren geimpft. Aber es gibt vielversprechende Hinweise. So melden die Impfstoffhersteller Moderna und Biontech/Pfizer, dass ihre Vakzinen in allen Altersklassen gleich gut wirkten. Weitere Ergebnisse hierzu werden in den kommenden Wochen erwartet.

Wer soll geimpft werden?

Viele Länder wollen ältere Personen und solche mit Vorerkrankungen prioritär impfen. Denn oberstes Ziel der Impfkampagnen ist, schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern. Da diese vor allem bei älteren Personen auftreten, will man diese baldmöglichst schützen. Zudem sollen auch medizinisches Personal und Personen, die in für das Funktionieren der Gesellschaft wichtigen Bereichen arbeiten, zu Beginn geimpft werden.

Sollte sich in den Impfstudien herausstellen, dass die Vakzinen die Übertragung und damit die Weiterverbreitung von Sars-CoV-2 verhindern, werden laut den derzeitigen Impfstrategien auch alle jüngeren Personen ohne Risikofaktoren zum Impfen aufgefordert.

Ist die Nutzen-Risiko-Abwägung für alle gleich?

Nein. Covid-19 ist für ältere Personen beispielsweise deutlich risikoreicher als für junge, daher dürfte für sie der Nutzen eines Impfstoffs grösser sein. Andererseits sind etwa die Langzeitfolgen von Covid-19 noch nicht gut erforscht – und sie scheinen auch Junge zu betreffen. Die RNA-Impfstoffe hingegen verursachten laut den bisher bekannten Daten keine schweren Erkrankungen. Bei der Zulassung einer Impfung wägt die Zulassungsbehörde solche Punkte – also den Nutzen der Impfung gegen das Impfrisiko – gegeneinander ab. Dabei dürften auch Unterschiede zwischen verschiedenen Patientengruppen eine Rolle spielen und in der Impfempfehlung berücksichtigt werden.

Darf sich impfen lassen, wer schon Covid-19 hatte?

Weder das Bundesamt für Gesundheit in der Schweiz noch das Robert-Koch-Institut in Deutschland können die Frage derzeit beantworten. Es liegen keine Informationen vor, ob eine Impfung Personen, die bereits eine Sars-CoV-2-Infektion hatten, schaden könnte.

Angesichts von Engpässen bei der Vakzineversorgung – zumindest in den nächsten Monaten – erscheint es aber nicht sinnvoll, solche Personen zu impfen. Denn nach einer durchgemachten Infektion sollte ein gewisser Immunschutz vorhanden sein. Eine Impfung ist also weder zum persönlichen Schutz noch zur Erreichung der Herdenimmunität nötig. Allerdings dürfte es logistisch schwierig werden, bei jedem Impfwilligen vor der Injektion einen Antikörpertest durchzuführen, um dessen Sars-CoV-2-Status festzustellen.

Können die neuen RNA- und DNA-Impfstoffe unser Erbgut verändern?

Nein. Bei den Vakzinen von Biontech/Pfizer sowie Moderna handelt es sich um RNA-Impfstoffe. Die von einer Zelle aufgenommene fremde RNA gelangt nicht in den Zellkern, wo das Erbgut aufbewahrt wird. Zudem besteht unser Erbgut aus DNA. Es gibt in unseren Zellen kein Enzym, dass RNA in DNA umbaut.

Die Vakzine der University of Oxford / AstraZeneca ist ein ringförmiges Stückchen Sars-CoV-2-DNA, verpackt in einen Adenovirus. Dieses Konstrukt gelangt zwar in den Zellkern, wird aber nicht in das Genom eingebaut. Alle Bestandteile der drei neuartigen Vakzinen werden gemäss heutigem Stand des Wissens innert Wochen in der Zelle abgebaut.

Könnte sich das Virus verändern und die Impfung deshalb unwirksam werden?

Das ist möglich, aber laut Experten zurzeit nicht wahrscheinlich. In der Bevölkerung besteht noch keine breite Immunität und daher auch kein Druck auf das Virus, sich zu verändern, um der Körperabwehr zu entgehen. Das könnte sich ändern, wenn genug Personen geimpft sind, was in Zukunft immer wieder einmal eine Anpassung des Impfstoffes nötig machen könnte. Ähnlich, wie man dies bei der Grippe kennt. Ob es dazu kommen wird, ist aber noch ungewiss.

Gibt es Unterschiede in der Immunantwort zwischen einer natürlichen Infektion und einer Impfung?

Ja, es gibt Unterschiede. Über die gesamte Immunantwort hinweg betrachtet, dürften die Infektion und die Impfung laut dem Immunologen Christian Münz von der Universität Zürich aber ähnlich gut schützen – wenn auch auf immunologisch unterschiedlicher Basis.

So produziert der Körper bei einer natürlichen Infektion eine Palette von Antikörpern gegen verschiedene Bereiche des Virus; bei der Impfung dagegen nur gegen die Virusbestandteile, die im Impfstoff enthalten sind. Im Fall der drei am weitesten fortgeschrittenen Impfstoffe ist dies das sogenannte Spike-Protein auf der Aussenseite des Virus. Gegen dieses stellen geimpfte Personen ähnliche oder vielleicht sogar etwas höhere Mengen von Antikörpern her als natürlich Infizierte.

Nach einer milden Infektion könnten zudem bis zu zwanzig Prozent der Bevölkerung gar keine für das Spike-Protein spezifischen Antikörper bilden, erklärt Münz. Im Vergleich zu diesen Individuen sei die Impfung viel effizienter.