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Swiss-Chef Klühr tritt zurück

Blick 29.09.2020

Mitten in der schlimmsten Krise der Luftfahrt verlässt Thomas Klühr die Swiss. Nach fünf Jahren im Amt. Er macht persönliche Gründe geltend. Ein Nachfolger ist noch nicht bekannt. Klühr wird Einsitz in der neuen Luftfahrtstiftung nehmen.

Damit haben nicht einmal Aviatik-Experten gerechnet: Swiss-Chef Thomas Klühr (58) gibt überraschend die Führung der Lufthansa-Tochter per Ende Jahr ab. Aus persönlichen Gründen! Er habe den Verwaltungsrat gebeten, ihn per Ende 2020 «von seiner Funktion zu entbinden», teilte die Swiss mit. Der Verwaltungsrat um Präsident Reto Francioni (65) habe dieser Bitte mit grösstem Bedauern entsprochen. Der Deutsche wird auch das Verwaltungsratspräsidium von Swiss-Schwester Edelweiss niederlegen.

Klühr, das Lufthansa-Urgestein. Er wird die Swiss nach rund fünf Jahren und über dreissig Jahren in der Lufthansa-Gruppe verlassen.

Medien vor Mitarbeitern informiert

BLICK weiss: Die Mitarbeiter wurden erst nach den Medien mit einer internen Mail über den Abgang Klührs informiert. Ein Insider vermutet: «Da muss innert kurzer Zeit etwas vorgefallen sein. Sonst würde die Swiss nicht in dieser coronabedingten Ausnahmesituation den CEO wechseln», sagt er. Klührs Rücktritt kommt für ihn «völlig überraschend».

Kein Wunder schiessen Spekulationen ins Kraut? Gab es Zoff über die Ausrichtung der Swiss in den turbulenten Jahren, die auf die Airline zukommen? Erst 2024 rechnet die Swiss geschäftlich wieder mit einer Flughöhe wie vor der Corona-Krise. Gab es Druck von der deutschen Konzernmutter, weil Klühr bislang den Jobabbau-Hammer im Gegensatz zur Lufthansa noch nicht runtersausen liess?

Oder gibt es familiäre Gründe für den Rücktritt? Das aber wird für gewöhnlich dann auch so in der Mitteilung an die Medien kommuniziert. Es hiess aber «aus persönlichen Gründen».

Znacht beim Inder um die Ecke

BLICK traf Klühr Anfang September 2020 zu einer Hintergrund-Gesprächsrunde. Damals deutete überhaupt nichts auf seinen baldigen Rücktritt hin. Im Gegenteil: Klühr sprach davon, wie er die Corona-geschüttelte Airline bis ins 2024 wieder flottmachen will. Er gab Durchhalteparolen aus, verbreitete Team-Spirit.

Er sprach von vielen Mails, in denen Kunden ihm für seine Arbeit Durchhaltekraft wünschten. Und er sprach seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Mut zu in der Krise. Er tue alles dafür, dass er die Swiss-Mannschaft zusammenhalten kann.

Bislang ist noch nichts von Entlassungen bei der Lufthansa-Tochter zu hören. Im Gegensatz zum Mutterkonzern, wo weit über 20’000 Angestellte um ihren Job zittern müssen.

Klühr ist ein Top-Manager ohne Star-Allüren. Einer, der mit dem Velo zum Bahnhof radelt, um die S-Bahn zu seinem Arbeitsort am Flughafen Zürich-Kloten zu nehmen. Man sah ihn in der Vergangenheit abends auch mal im Zürcher Seefeld beim Znacht. Nicht in Nobelrestaurants, sondern beim Inder um die Ecke.

Einsitz in der Luftfahrtstiftung

Die Swiss ist von der Corona-Krise hart getroffen worden. Während des Lockdowns konnten nur noch vereinzelt Flüge durchgeführt werden. Bis heute ist das Hochfahren des Flugbetriebs angesichts von Quarantäne-Wirrwarr und sich ständig ändernden Einreiseregeln schwierig. Pro Tag verliert das Unternehmen rund eine Million Franken.

Eine der Auflagen für die Sprechung der Kreditgarantie des Bundes war die Gründung einer Schweizer Luftfahrtstiftung. Sie wacht über die Einhaltung der Standortvereinbarung zwischen dem Bund und der Lufthansa Gruppe bezüglich der Entwicklung des Hubs in Zürich. Der Bund wird den Präsidenten und zwei weitere Mitglieder stellen. Swiss und Lufthansa werden je ein Mitglied stellen. Eines davon ist Thomas Klühr. Vollzeit ist das Pensum wohl kaum, wie viel Prozent Klühr dafür aufwenden muss, ist nicht bekannt.

Corona-Krise nicht der Grund

Die Corona-Krise war laut der Swiss aber nicht der Grund für Klührs Rücktritt. Dieser habe seinen bereits für das erste Quartal dieses Jahres geplanten Rücktritt nach Abzeichnen der Krise zurückgeschoben und die Swiss souverän durch diese schwierige Zeit manövriert, heisst es. Das nimmt aber kaum einer in der Aviatik-Branche der Swiss ab.

In der Branche wird nun darüber spekuliert, wer die Swiss durch die stürmischen Zeiten lotsen soll. Der Verwaltungsrat der Swiss will im vierten Quartal über Klührs Nachfolge entscheiden.

Als mögliche Nachfolger Klührs werden der Chef des Kommerzgeschäfts bei der Swiss, Tamur Goudarzi-Pour, sowie Finanzchef Markus Binkert gehandelt. Letzterer hat wohl die besten Chancen. Naheliegend wäre auch der Wechsel von Edelweiss-Chef Bernd Bauer ins Swiss-Cockpit. Damit hätte die Swiss einen Schweizer auf dem Chefposten. Doch dann braucht es wieder einen Top-Manager, der die Führung das Ferienfliegers übernimmt.

Nicht ausgeschlossen ist allerdings auch, dass die Lufthansa erneut jemanden aus der Zentrale in die Schweiz schicken wird. Zum Aufräumen? Zum Personalabbauen?

«Auswechslung wirft Fragen auf»

Bei der Gewerkschaft ist man überrascht über die Rücktrittsankündigung. «Den CEO in der Krisenzeit auszuwechseln wirft – bei allem Verständnis für die privaten Gründe von Thomas Klühr für seinen Rücktritt auf Ende Jahr Fragen auf», sagt SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn, Präsident von SEV-GATA, der Luftfahrtabteilung der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV.

«Wir machen uns Sorgen um die Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen der Swiss-Mitarbeitenden und fordern von der Swiss-Leitung, dass sie für deren Erhalt weiterhin ihr Möglichstes tut. Und der Hub Zürich muss seine Relevanz im Lufthansa-System behalten», sagt Hadorn.