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Swiss streicht 780 Jobs – doch darf sie überhaupt Piloten entlassen?

TA 6.05.2021 – Flottenreduktion wegen Corona

Nach den meisten anderen Airlines muss nun auch die Swiss zur Massenentlassung greifen. Zum Knackpunkt wird der Abbau im Cockpit.

Gerüchte gab es schon länger, und doch ist die Nachricht für die Swiss-Belegschaft ein Schock: Die Chefs der Airline haben am Donnerstagmorgen «tiefgreifende Anpassungen» vermeldet – sie streichen bis zu 780 Stellen.

Zudem reduzieren sie die Flotte um 15 Maschinen. 10 davon sollen aus dem Kurz- und Mittelstreckensegment kommen; es handelt sich vor allem um ältere Maschinen aus der A320-Familie. Auf der Langstrecke verschwinden 5 Airbus-Maschinen.

Zudem baut die Swiss auf der Kurz- und Mittelstrecke Frequenzen ab, auf der Langstrecke auch Destinationen. Gesamthaft will die Swiss damit 500 Millionen Franken einsparen, 200 Millionen davon an Personalkosten.

Knackpunkt Piloten-Entlassungen

In einer Medienmitteilung schreibt die Swiss: «In dem nun eingeleiteten Konsultationsverfahren wird zusammen mit den Sozialpartnern, Mitarbeitenden und deren Vertretungen nach weiteren Lösungen gesucht, um die Zahl allfälliger betriebsbedingter Kündigungen so niedrig wie möglich zu halten und einen beabsichtigten Abbau sozialverträglich zu gestalten.» Damit sei auch die politische Auflage im Zusammenhang mit dem 1,5 Milliarden Franken schweren Bankenkredit erfüllt, den der Bund zu 85 Prozent garantiert. Die Konsultationsverfahren sollen Mitte Juni abgeschlossen sein.

Von den maximal 780 Kündigungen entfallen 200 aufs Bodenpersonal, 60 auf die Technik, 400 aufs Kabinenpersonal und 120 aufs Cockpit. Ob das bei letzteren klappt, scheint allerdings unklar. So schreibt die Swiss: «Für alle Personalkörper – ausser für das Cockpitpersonal – bestehen bereits Sozialpläne. Da der heute gültige Gesamtarbeitsvertrag für das Cockpitpersonal einen Kündigungsschutz beinhaltet, muss aufgrund des strukturellen Personalüberhangs mit dem Berufsverband Aeropers eine Lösung am Verhandlungstisch gefunden werden.»

Thomas Steffen von der Pilotengewerkschaft Aeropers verweist auf Anfrage auf einen Passus im Piloten-GAV, der erlaubt, bei Personalüberhang Teilzeit für die Belegschaft anzuordnen. Sowohl Swiss als auch Aeropers müssten diesem zustimmen. «Ich bin zuversichtlich, dass wir uns finden. Uns ist es ein grosses Anliegen, dass es der Swiss bald wieder gut geht.» So könnte das Soll bei den Piloten eingespart werden, ohne dass Entlassungen nötig würden.

Gewerkschaft zeigt kein Verständnis

Deutliche Worte findet die Bodenpersonal-Gewerkschaft Sev-Gata für die Entlassungen. «Mit einer Massenentlassung würde die neue Swiss-Leitung das Vertrauen der Mitarbeitenden und der Bevölkerung wenige Wochen nach Amtsantritt verspielen», sagt Präsident Philipp Hadorn und zielt dabei auf Vranckx. «Sie riskiert damit einen Mangel an Fachkräften im Wiederaufschwung des Luftverkehrs und vernachlässigt ihre soziale Verantwortung für die Mitarbeitenden.»

Hadorn erwähnt die Anstrengungen der Politik mit einem Rettungskredit und die Bereitschaft der Belegschaft zu GAVs für die Dauer der Krise. «Trotz all dieser kollektiven Anstrengungen erdreistet sich die Swiss-Führung nun, ein Abbauvorhaben zu präsentieren, das weit über die Airline-Branche hinaus Schneisen schlagen wird.»

Insgesamt 20 Prozent Abbau

Die Entlassungen kamen mit Ansage. Die Swiss war bisher – bis auf die Edelweiss – die einzige Airline im Lufthansa-Verbund, die noch nicht zu diesem Mittel hatte greifen müssen. Stattdessen setzte man beim Abbau um 1000 Personen bis Ende 2021 auf natürliche Fluktuation, einen Einstellungsstopp sowie Frühpensionierungen. Vor der Krise waren 9500 Personen bei der Swiss angestellt. Insgesamt baut die Swiss damit also 20 Prozent der Belegschaft gegenüber dem Vorkrisenniveau ab.

Allerdings hatte sich die Verkehrslage seit Jahresbeginn deutlich schlechter als erwartet entwickelt. So sah der neue CEO Dieter Vranckx keine andere Möglichkeit, als nun auch zu jener Massnahme zu greifen, gegen die sich sein Vorgänger Thomas Klühr noch mit Händen und Füssen gestemmt hatte: In den Mitteilungen zum Vorjahresergebnis und jener zum ersten Quartal liess er seine Kommunikationsabteilung die Temperatur jeweils so erhöhen, dass die Nachricht von heute Donnerstag nur noch wie eine Vollzugsmeldung erscheint.

Auch 2023 noch weniger Nachfrage

Die Frage stellt sich, ob die Swiss die Personen, die sie nun zu entlassen plant, nicht bald wieder braucht. Schliesslich wird die westliche Welt gerade durchgeimpft und plant, so bald wie möglich wieder zu einem einigermassen normalen Leben zurückzukehren.

Allerdings scheint die Swiss davon auszugehen, selbst dann nicht mehr zur alten Grösse zurückzukehren: So dürfte die Pandemie viele Interkontinentalstrecken – vor allem in den Osten und Süden – nach wie vor stark behindern. Und weiter hat die Pandemie insbesondere die Geschäftsfliegerei für immer verändert.

«Es zeichnete sich immer klarer ab, dass sich der Markt strukturell verändern wird und trotz frühzeitig eingeleiteter Massnahmen unsererseits eine Restrukturierung von Swiss leider unumgänglich zu sein scheint», lässt sich CEO Vranckx zitieren. «Für 2023 erwarten wir bei der Gesamtnachfrage einen strukturellen Rückgang von 20 Prozent.»

Die Kabinenpersonal-Gewerkschaft Kapers geht auf einen weiteren Punkt ein. «Wir fordern Verbesserungen des bereits bestehenden Sozialplans, um die sozialen Folgen von Kündigungen zu mindern, Betroffene bei der Suche einer neuen Arbeitsstelle zu unterstützen und Härtefälle angemessen zu berücksichtigen», schreibt sie in einer Medienmitteilung. «Der heutige Tag ist einer der schmerzhaftesten in der 50-jährigen Geschichte der Kapers».