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Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Swiss und Flughafen Zürich fordern Corona-Tests statt Quarantäne

TA 27.08.2020

Einreisenden aus Risikoländern soll die Selbstisolation erlassen werden, wenn sie einen negativen Befund vorweisen können. Das würde das schleppende Geschäft ankurbeln.

Passagiere dürften bis Ende Jahr ihre Flüge kostenlos umbuchen, so oft sie wollten, kündigte die Swiss am Dienstag an. Was die Kunden freut, ist eine Verzweiflungstat der Fluggesellschaft, um sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Aktuell fliegt sie bloss rund ein Drittel des Programms vom Vorjahr. Die Tendenz dürfte aktuell nicht steigend sein: Zu gross ist die Unsicherheit der Passagiere, da sich die Einreisebestimmungen zahlreicher Ferienländer und der Schweiz rasend schnell verändern.

Das Versprechen der Swiss, bei einer Veränderung der Lage kostenlos auf einen früheren Flug umbuchen zu können, kann da ein starker Anreiz für eine Reise sein. Gleiches würde für die Aussicht auf keine oder verkürzte Quarantäne nach der Rückkehr aus einem Risikoland gelten. Aktuell muss sich 10 Tage in Selbstisolation begeben, wer in den 14 Tagen davor in einem der Dutzenden Risikogebiete war, die der Bund festgelegt hat.

«Swiss ist sehr daran interessiert, Testcenter an den Landesflughäfen Zürich und Genf einzuführen.»Michael Stief, Swiss-Sprecher

Um hier ein attraktiveres Produkt anbieten zu können, ruft die Swiss nun nach einer neuen Regelung. «Swiss ist sehr daran interessiert, Testcenter an den Landesflughäfen Zürich und Genf einzuführen», sagt Sprecher Michael Stief. Das Unternehmen wünsche sich «die Anerkennung eines negativen Resultats als Grund zur Verkürzung oder gar Aufhebung der Quarantänepflicht».

Ob alle Einreisenden oder bloss jene aus Risikoländern getestet werden sollen, sei Teil der Verhandlungen mit den involvierten Parteien – also den Behörden, dem Flughafen und medizinischen Anbietern.

Flughafen und Helvetic interessiert

Die Swiss ist mit ihrer Forderung nicht allein. «Wir sind daran, die politischen Stakeholder zu motivieren, in diese Richtung zu denken», sagte Stephan Widrig, Chef des Flughafens Zürich, am Donnerstag an der Hotellerie-Konferenz Swiss Innovation Day in Zürich. Und weiter: «Leute im Verkauf oder in der Exportwirtschaft, die fliegen müssen, könnten dann ihre Tätigkeit wieder aufnehmen.»

Die Fluggesellschaft Helvetic schreibt zwar: «Es steht uns nicht zu, dazu ausführlich Stellung zu nehmen, da dies in erster Linie ein gesundheitspolitisches Thema ist.» Doch Tests gingen eindeutig in die richtige Richtung, da sie zum Schutz der Passagiere beitragen würden.

Der Bund ist dagegen

Allerdings ist das alles nicht so einfach. Die wichtigste Behörde in dieser Frage, das Bundesamt für Gesundheit, winkt schon mal ab: «Ein negativerTest ist keine Garantie, dass eine Person nicht infiziert ist», sagt ein Sprecher. Der Grund sei das Timing. «Eine neu infizierte Person kann bei noch sehr kleiner Virenbelastung negativ getestet werden. Quarantäne bleibt zurzeit die sicherste Massnahme.»

Allerdings brachte Marcel Tanner, Epidemiologe und Mitglied der Covid-19-Taskforce des Bundes, vor kurzem gegenüber der Pendlerzeitung «20 Minuten» ein neues Modell ins Spiel: «Um sicherzugehen, dass die Tests ihren Zweck erfüllen, müssten sich die Personen direkt nach der Einreise und innerhalb von zwei Tagen nochmals testen lassen.» Die zwei Tage müsste man in Quarantäne verbringen.

Das wäre eine deutliche Verminderung der Quarantäne-Dauer und dürfte die Reisetätigkeit erhöhen. Die Swiss schreibt, dass die Gespräche mit den involvierten Parteien «auf Hochtouren» liefen – sie dürften sich präzise um Fragen wie jene nach einem zweiten Test drehen.

Swiss will Kosten für Tests abwälzen

Eine weitere Unklarheit besteht bei den Kosten – wer soll all die Tests bezahlen? Ein freiwilliger Test in der Flughafenpraxis – der die Quarantäne allerdings nicht verkürzt – kostet aktuell 180 Franken. Swiss-Sprecher Michael Stief sagt: «Klar ist aus unserer Sicht, dass die Verantwortung dafür nicht allein bei den Fluggesellschaften liegen kann, weshalb es Bestrebungen nach einer Partnerschaft mit Flughäfen und medizinischen Anbietern gibt.»

Auch eine Beteiligung der öffentlichen Hand dürfte zumindest diskutiert werden, zahlt doch in Deutschland der Staat Rückkehrern aus dem Ausland an zahlreichen Flughäfen den Test. Dort bedeutet ein negatives Ergebnis, das die Rückkehrer einen Tag darauf erhalten, dass diese die Quarantäne verlassen dürfen.

Weil allerdings kein zweites Mal getestet wird, wie es laut Tanner in der Schweiz der Fall sein sollte, fallen in Deutschland regelmässig Infizierte durch die Maschen.

Allerdings bauen die Deutschen dieses System nun auch schon wieder zurück. Der Grund liegt darin, dass die Tests knapp werden – das Personal im Gesundheitswesen hat Vorrang. Harry Hohmeister, früher Swiss-Chef und heute im Vorstand der Lufthansa, reagierte am Donnerstag in einem Interview mit dem «Spiegel» bestürzt: «Der aktuelle Plan bringt nicht mehr Sicherheit, sondern zusätzliche Unsicherheit. Das ist für mich völlig unverständlich.»

In der Schweiz schreibt das Bundesamt für Gesundheit dagegen, dass man keine Kapazitätsprobleme habe. Täglich könnten heute zwischen 20’000 und 25’000 Tests durchgeführt werden, ausserdem solle die Kapazität bald um zusätzliche 6000 Tests erweitert werden. Aktuell werden täglich rund 10’000 davon in Anspruch genommen.

Da in der ersten Hälfte dieser Wochen am Flughafen Zürich nie mehr als 600 Personen aus Risikoländern ankamen, würden die Kapazitäten zumindest im Moment locker ausreichen, um auch diese zu testen. Ob das allerdings auch bei der erwünschten Steigerung der Passagierzahlen oder einer zweiten Infektionswelle noch der Fall wäre, ist völlig unklar.